Die Phono-Vorverstärker bekamen zum Hörtest vorab mehrere Tage Strom an meiner MudraAkustik-Netzleiste mit integriertem, vorgeschaltetem Trenntrafo. Der Ruhestrom-Bedarf ist laut Rolf Becker auch für Umweltbewusste vertretbar gering. Auf diese Weise konnten alle Bauteile ihre Betriebstemperatur stabilisieren. Intern waren die beiden Phonostufen mit 500 Ohm passend auf meinen Audio Technica ART 9 Tonabnehmer eingestellt. Model blue und surzur wurden mit den gleichen In-akustik NF-1302 an den Vorverstärker angeschlossen, so dass ich im Betrieb gefahrlos die symmetrischen XLR-Stecker von einer Phono-Stufe zur anderen wechseln konnte. Auch bei der surzur ist, wie bei allen Schaltungs-Layouts von Rolf Beckers Blue Amps, der Ausgang kapazitätskompensiert, so dass ein angeschlossenes Kabel zum Verstärker bis 1000 Picofarad kapazitiv irrelevant bleibt. Während des Tests schloss ich beim Wechsel des Netzteils das jeweils nicht gehörte Gerät stets an das nicht eingesetzte Netzteil zur Erhaltung der Stromversorgung an. Damit vermied ich mögliche Beeinträchtigungen durch Veränderungen in den Betriebsbedingungen.
Zuerst hörte ich mich auf das Doppelpack aus model blue mit ps300 ein. Ich hatte das gleiche gute Gefühl wie einst. Die Musik klang unspektakulär im positiven Sinne, da Artefakte und Überbetonungen nicht vorhanden waren. Somit durfte ich in eine realistische Musik-Darbietung eintauchen und konnte stundenlang genießen. Ich hatte meine Freude an den Klangfarben und der gleichermaßen homogenen wie detaillierten musikalischen Inszenierung. Auch in Sachen Dynamik, ob fein oder gewaltig, mangelte es an Nichts. Der Wunsch nach mehr Qualität oder der, andere Geräten zu hören, kam eigentlich gar nicht auf.
Mit der B-Seite des Debüt-Albums von 1968 der britischen Folk-Fusion-Band The Pentangle startete ich dann den Vergleich gegen die model surzur MKII mit ihrem Standard-Netzteil. Was ich zu hören bekam, überraschte mich nicht wenig. Die surzur schaffte es, mehr Spannung und eine gesteigerte Präzision mit enormer Durchhörbarkeit auf einer glaubhaften Bühne geordnet darzustellen. Das gefiel mir und fesselte mich. Der Kontrabass spielte vehement, knackig und trocken. Die Musik schien einen Tick schneller und gefühlt geringfügig lauter zu spielen. Es fehlte jedoch ein kleines bisschen die Wärme, die die model blue-Kombination zu bieten hatte. Dabei hinterließ Letztere keineswegs das Gefühl, Details zu verschlucken. Bei Strawinskys Pulcinella-Suite mit Neville Marriner und der Academy of St.Martin-in-the-Fields konnte die surzur mit ihrer transparenten Direktheit und Lebendigkeit punkten und mich in ihren Bann ziehen. Man kann der surzur ganz sicher keinerlei Härte zuschreiben, aber die kleine Kombination musiziert minimal lieblicher und verleiht den Streichern einen Hauch mehr Schmelz. Beim Erstlingswerk der Alabama Shakes Boys & Girls zeichnet die surzur eine aufgefächerte, größere Bühne. Bei diesem tonal keineswegs weich eingespielten Album zeigt die surzur ihre Qualitäten in Offenheit und Liebe zum Detail. Dies gilt ganz besonders in den oberen Frequenzlagen wie etwa bei Becken des Schlagzeugs, denen sie zarten Glanz und Farbe verleiht. Die Fähigkeit, etwas explosiver zu intonieren, hebt sie hier positiv von der kleineren Kombination ab. Die wiederum überzeugt mit ihrem gefälligen Charakter. Den gleichen Unterschied konnte ich ebenso deutlich auch bei der Orgel-Symphony No.3 von Camille Saint-Saëns mit Charles Munch und den Bostonern ausmachen. Auf der einen Seite ein Plus an Auflösung vor allem im oberen Spektrum, gepaart mit wunderschönen Klangfarben und einer grandios konturierten Orgel, auf der anderen Seite die authentisch scheinende Wärme. Auch bei dieser orchestralen Musik bleibt es eher eine Frage der persönlichen Vorliebe, wem von den Beiden ich den Vorzug gebe. Vielleicht lässt sich der Klang-Charakter auch so erklären: Die surzur ist in ihrer ursprünglichen Ausführung vor Jahren entstanden, als Rolf Becker seinen Urlaub in der Bretagne verbrachte. Damals gab es bei Blue Amp ausschließlich das Top-Modell 42 und Rolf Becker ersann in entspannter Urlaubs-Stimmung eine preisgünstige Alternative. Im Urlaub verbrachte er gern etwas Zeit in einer kleinen Patisserie hinter der Kirche im Örtchen Surzur und erfreute sich an den kleinen, köstlichen Törtchen. Möglicherweise ist es ihm gelungen, diese emotionalen Feinheiten des kulinarischen Genusses und die faszinierende Vielfalt des bretonischen Klimas im Charakter der surzur zu manifestieren – mir scheint es jedenfalls so.
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