Die Tatsache, dass er persönlich den Verstärker zu mir transportierte, zeigt seinen Enthusiasmus. Denn er wollte sich selber ein Bild davon machen, in welchem Umfeld sein Neuling bei mir spielen soll und vor allem, wie er hier klingt. So haben wir ein paar Stunden gemeinsam den Italiener an meinen griechischen Audio Analysis Epsilon Lautsprechern gehört. Verbunden waren sie mit dem Bi-Wiring Real Cable. Schon nach den ersten Takten war klar, es gibt nichts zu richten oder zu korrigieren. Auf Anhieb spielte das Gespann so auf, dass Jan Sieveking sich entspannt auf dem Sofa zurücklehnte. Ich hingegen setzte mich voller Erstaunen aufrecht auf die Kante desselben. So kontrolliert hatte sich die Epsilon bislang noch nicht verhalten. Wie sie jetzt aufspielte, war es eine in meiner Kette nicht dagewesene Qualität. So ist bislang kein Verstärker mit dem Bändchen-Dipol-Strahler zurechtgekommen und umgegangen. Als Tonquelle diente der Melco N1A mit dem Antelope Zodiac Plus Wandler. Gehört haben wir zunächst meinen aktuellen Test-Standard, die 192-Kilohertz-Version des Gregory Porter-Albums Take Me To The Alley. Ursächlich für die etwas eingeschränkte Räumlichkeit ist der Antelope-Wandler, ganz sicher nicht der Audia Flight. Denn der staffelt weit besser die imaginäre Bühne, als es andere Verstärker zu leisten imstande waren, inklusive meiner Spectral Endstufe. Dazu liefert der FLS 10 eine bestechende Homogenität. Sofort machte er deutlich, dass souverän Leistung zur Verfügung steht und er alles im Griff hat. Dies demonstrierte er besonders positiv im Grundton und Tiefbass. Hier konnte der Audia Flight bestens für Akkuratesse und Plastizität sorgen. Davon profitierte naturgemäß das gesamte Klang-Gemälde mit analytischer und dynamischer Darstellung. Die Jazz-Titel von Gregory Porter erklangen klangfarbenstark, aber niemals zu üppig, dreidimensional und gleichzeitig differenziert und angenehm homogen. Die Musik fließt und der Rhythmus stimmt. Die Füße wippen.
Jan Sieveking und ich unterhielten uns ein wenig über das audiophile Unternehmen aus Civitavecchia in der Nähe von Rom. Dabei lauschten wir angetan und zustimmend nickend einigen Titeln aus meiner Qobuz Favoriten-Liste. Jan Sieveking sprach über seine Erfahrungen mit den Audia-Flight-Verstärkern im Allgemeinen und über diesen Class-AB-Verstärker im Besonderen: Er braucht nur wenige Minuten, bis sich das gewaltige Netzteil mit Energie vollgesaugt hat und bereit ist, mit ganzer Kraft und vor allem ganuerQualität loszulegen. Die AB-Schaltung ist so ausgelegt, dass der FLS 10 einen sehr hohen Class-A-Bereich generiert – mit allen daraus resultierenden klanglichen Vorteilen. Dieses Schaltung-Konzept ist natürlich auch in der Wärmeentwicklung zu spüren. Die großen Kühlkörper links und rechts zusammen mit dem massiven Aluminium-Gehäuse bieten zwar reichlich Kühlfläche. Legt man seine Hand aber mal nach einer Stunde Spielzeit auf das Firmen-Symbol im Gehäuse-Deckel, spürt man ordentlich Wärme. Über die Qualität der Verstärker von Audia Flight berichtete schon recht ausführlich Dirk Sommer im Testbericht über die Vorstufe Strumento n°1 mk2.
Schaut man in das Innere des ausschließlich von unten verschraubten Gehäuses, erkennt ein jeder sofort den komplett doppelt monaural gegliederten Aufbau des zudem symmetrischen Konzepts. Die Audia Flight Entwickler Massimiliano Marzi und Andrea Nardini wandten im FLS 10 ihre bekannte Transimpedanz-Schaltung mit lokaler Stromgegenkopplung an. Ebenso wie in der separaten Endstufe FLS 4 findet sich auch im Vollverstärker ein vergossener und zweifach geschirmter 2000-Watt-Ringkerntrafo mit getrennter Versorgung des linken und rechten Kanals. 32 Leistungstransistoren generieren bei Bedarf kurzfristig etwa neunhundert Watt auf jeder Seite. Daran haben auch die Siebkondensatoren mit insgesamt stattlichen 288.000 Mikrofarad Kapazität ihren Anteil. Ein weiterer Abgriff am Trafo liefert den Strom für die Vorstufe und die Zusatzplatinen. Weiteres lässt sich auf der Website nachlesen: „Die interne Signalverstärkung der Endstufensektion wird in vergossenen Class-A-Modulen ausgeführt. Hier kommt die lokale Stromgegenkopplung zum Einsatz. Selbstverständlich haben auch diese Module eine separate Stromversorgung und werden zusätzlich aus Kondensatoren mit einer Gesamtkapazität von 18.000 Mikrofarad versorgt. Auch im FLS 10 kommen Platinen mit massiven Kupferleiterbahnen zum Einsatz, die Audia Flight bei einem Militärzulieferer bezieht. Diese Platinen werden in der eigenen Fabrik von Hand bestückt. Dort werden auch die CNC-gefrästen Aluminiumpaneele von Hand nachpoliert, bevor sie bedruckt werden. Weil Marzi und Nardini keine halben Sachen machen, haben sie im FLS 10 einen zusätzlichen Trafo mit 15 Watt installiert, der sich um die Mikroprozessorkontrolle und Einschaltverzögerung kümmert. So etwas gehört aus ihrer Sicht einfach nicht in die Hauptstromversorgung – und hält außerdem den Standby-Stromverbrauch unter ein Watt.“