Was mir gerade im Vergleich zu den LumenWhite an den Classic besonders gut gefällt, sind ihre moderaten Abmessungen: Die Classic dominieren den Hörraum optisch nicht – und dennoch verwöhnen sie mit einer enorm großen und weiträumigen Abbildung. Zudem lassen sich mit den Kawero! – die entsprechenden Endstufen wie etwa die Ayon Epsilon mit ihren sechs KT 150 pro Monoblock vorausgesetzt – völlig stressfrei extrem hohe Lautstärken erreichen, die nicht wirklich zur Gehäusegröße zu passen scheinen. Lassen Sie sich nicht von den kompakten Abmessungen der Kawero! täuschen: Sie können ein weit größeres Klangbild zeichnen und auf immer entspannte Art höhere Pegel realisieren, als man ihnen auf den ersten Blick und auch auf den zweiten auf die Rückseite mit dem Basstreiber zutrauen würde. Klanglich kann es die Classic mit nahezu allen High-End-Boliden – um nicht zu schreiben: Schränken – locker aufnehmen, ohne durch ihre Physis aus einem Wohnzimmer gleich einen Hörraum zu machen. Das ist kein Zufall: Noch während der Konstruktionsphase fragte Rainer Weber seine Gattin, wie hoch ein Lautsprecher im Wohnraum den höchstens sein dürfte, und sie zeigte in etwa die Höhe der jetzigen Classic an: Bei dieser Kawero! ist der Wife Acceptance Factor quasi mit eingebaut. Nachdem ich meine Freiheit in Sachen Lautsprechergröße im Hörraum jahrelang ausgelebt habe, muss ich zugeben, dass riesige Klanggemälde aus vergleichsweise zierlichen Gehäusen nicht nur deutlich beeindruckender sind, sondern einen auch entspannter Musik genießen lassen, als wenn man vis-a-vis von riesigen Schallwänden sitzt – selbstverständlich nur unter der Bedingung, dass es weder an realistischer Instrumentenabbildung und dem für mich unverzichtbaren Tiefbass fehlt. Aber nicht nur in diesen Kriterien erfüllt die Kawero! auch die höchsten Erwartungen.
Irgendwann klappte es dann auch mit einem Termin für das Interview, zu dem ich auch Helmut Baumgartner eingeladen hatten, aber nicht damit er sich Anregungen für die Fotos holt, sondern um Rainer Weber einen Gesprächspartner auf Augenhöhe zu bieten: Unser Fotograf baut seine Lautsprecher natürlich selbst, arbeitete in seiner Jugend in einen renommierten Lautsprecherladen und wird vom ein oder anderen bastelfreudigen Kollegen immer mal wieder um Rat oder Messequipment gebeten. Aber das ist hier ja nicht das Thema. Das Gespräch mit Rainer Weber inspirierte ihn dazu, noch einmal über die Aufstellung der Kawero! Classic in meinem Hörraum nachzudenken. Spannende Komponenten hören wir oft gemeinsam vor oder nach Fototerminen. Und bisher war Helmut Baumgartner von den Kawero! ebenso angetan wie ich. Aber irgendetwas im Gespräch mit Rainer Weber musste ihn auf eine Idee gebracht haben: Bei seinem nächsten Besuch meinte er, die Schallwand mit dem Mitteltöner müsse mehr in die Senkrechte gebracht werden.
Da die bisher klanglich beste Aufstellung mit den Harmonix-Füßen unter den Still Points – Experimente mit Bronze-Spikes und Harmonix Real Focus RF-999MT führten leider nicht zu einem gleich guten Ergebnis – sowieso keinen Schönheitspreis gewinnen würde, taten wir uns keinen Zwang an und entfernten beim vorderen Fuß die Bodenplatte des Still Point und ersetzten den Harmonix TU-666M durch den flachen Real Focus RF-909X MK2, was die Boxen ein wenig nach vorne kippen ließ. Der Erfolg dieser Maßnahme war enorm: Die Position der Lautsprecher im völlig losgelösten Klangbild war nicht mehr zu orten. Einige Instrumente schienen auch seitlich außerhalb der Stereobasis zu stehen und die Ausdehnung der imaginären Bühne geriet so tief wie nie zuvor. Es ist bei guten Aufnahmen einfach Musik im Raum. Man nimmt keine Schallwandler mehr wahr. Ich bin versucht, von einer Klangwolke zu schreiben, was aber leicht falsche Assoziationen wecken könnte: Die Darstellung der Kawero! Classic ist zwar ungemein luftig, dabei aber zum Greifen plastisch, körperhaft und voller Energie. So viel Musik und so wenig Lautsprecher habe ich in meinen Hörraum noch nicht erlebt. Einfach überwältigend!
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