Eine 300B Single Ended Triode muss ins Haus! Whatever it takes (Mario Draghi). Wobei sich die Kosten im Fall des Auris Adagio weniger in Draghischen Sphären bewegen, sondern noch im halbwegs erträglichen Rahmen liegen. Zumindest unter HiFi-Gesichtspunkten betrachtet.
Warum also so einen Oldtimer wie die 1933 von Western Electric eingeführte 300B? Das hat nun nichts mit „früher war alles besser“ der militanten Vintage-Verehrer zu tun, sondern scheint irgendwie mit dem Klang zusammenzuhängen. Die 300B zeigt den Unterschied zwischen HiFi und Musik. Sagt man. Über die 300B wurde eigentlich schon alles gesagt, zwar noch nicht von allen, aber ich werde mich hier trotzdem kurz fassen: Technisch unterscheidet sie sich in einem wesentlichen Punkt von den Röhren neuerer Bauart, nämlich durch die Heizung der Kathode. Diese wird direkt geheizt, das heißt, Kathode und Heizung bestehen aus einem Stück. Bei der 300B handelt es sich dabei um einen Bariumdraht, der zickzackförmig gespannt ist und somit eine ganz beachtliche Länge aufweist. Auch meiner Erfahrung nach können alle derartigen Röhren, ob nun 45, 2A3, 10Y oder was es noch alles gibt, einen Verstärker zu einer Musikwiedergabe bringen, die mehr an Musik und weniger an HiFi-Equipment erinnert. Einen Verstärker mit einer 2A3 Endröhre hat Auris übrigens ebenfalls im Programm, hier muss der Lautsprecher allerdings mit nur 4 Watt Ausgangsleistung klar kommen. Laut Herstellerangaben.
In einem Punkt unterscheidet sich Adagio 300B noch von vielen anderen Verstärkern modernerer Bauart, er arbeitet im Single-Ended-Modus, wie das jetzt auf Neudeutsch heißt. Dies bedeutet ja, dass das Signal nicht wie bei einem Push-Pull-Verstärker in positive und negative Halbwellen zerlegt wird, sondern weitgehend intakt gelassen wird. Nun macht der Einbau einer 300B alleine noch lange keinen gut klingenden Verstärker, hier ist natürlich die Arbeitsumgebung von entscheidender Bedeutung. Angefangen damit hatte Western Electric in den 30er Jahren mit dem Bau des WE 91A Kinoverstärkers, der dann in den 80er Jahren plötzlich für HiFi entdeckt wurde. Bei diesem Verstärker wurde die 300B von einer Pentode aus gleichem Hause angesteuert, die allerdings erst seit kürzerer Zeit wieder als Nachbau verfügbar ist. Bei dem Adagio fungiert eine 6SN7 Doppeltriode als Treiber, die in den 90er Jahren sehr populär war und seither sehr häufig verbaut wurde. Und eben auch als Treiber für die 300B eingesetzt wurde. Allerdings reicht eine Triodenhälfte der Röhre mit einem Verstärkungsfaktor von etwa 20 nicht aus, die 300B vernünftig anzusteuern. Deshalb wird bei den meisten Designs die zweite Hälfte mit verwendet. Die Basis hierfür ist üblicherweise die 6SN7 Kaskade in Loftin/White-Schaltung aus den 30er Jahren, die von sehr vielen Herstellern in abgewandelter Form übernommen wurde, seinerzeit allerdings für andere Röhren ausgelegt war.
Als Leistungsröhre wird bei Auris eine 300B Gold des russischen Herstellers Electro Harmonix eingesetzt, hier handelt es sich um die verbesserte Version mit vergoldetem Gitter. Wenns hilft! Jedenfalls eine vernünftige Entscheidung in Anbetracht der Tatsache, dass original Western Electric Modelle schon mal für geschmeidige 3800 Euro über den Jordan, äh Ladentisch gehen. Pro Stück versteht sich. Ich konnte seinerzeit an einem anderen Verstärker die Electro Harmonix Gold 300B gegen eine original WE 300B hören und da hatte sie sich ausgezeichnet geschlagen.
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