tests/15-08-31_rossofiorentino
 

Rosso Fiorentino Giglio

31.08.2015 // Matthias Jung

Das passiert einem mit den kleinen von Rosso Fiorentino ganz sicher nicht. Trotz einer sehr ausgeprägten Ausgeglichenheit hat jeder Bereich auch seine Eigenart. Obwohl im Grundtonbereich sauber ausbalanciert, bringen sie beispielsweise eine Fülle mit, die man von so einem kleinen Lautsprecher nicht erwartet hätte. Eine alte lieblose Überspielung von RCA mit Brahms Symphonien mit der Staatskapelle Dresden unter Sanderling aus den frühen 70-ern klingt gern etwas substanzlos und unsauber muffig. Die Giglio füllen untenrum auf, ohne dick zu sein und hauchen der Aufführung fast zeitgemäßen Klang ein. Die Streicher werden dabei hervorragend differenziert, und der Hochtonanteil lässt auch diese alte CD fast modern klingen. Und auf eine ganz besondere Weise scheinen die Musiker just bei der Aufnahme einen ganz besonders guten Tag gehabt zu haben. Das bedeutet im Umkehrschluss übrigens nicht, dass moderne Aufnahmen höhenbetont oder schrill klingen. Die Giglio schöpfen ihre Spielfreude dabei aus einer Gelassenheit, die mich ein wenig an meine alten Rogers erinnert. Das aufwändige Gehäuse trägt sicher zur bemerkenswerten Sauberkeit und Resonanzarmut bei, bewirkt in seiner Wahl wohl auch eine charakteristische klangliche Ausrichtung, die man wohl nicht messen kann. Wie schreibt Rosso Fiorentino? „Reproducing reality“ und davon scheinen die Entwickler ein klare Vorstellung zu haben. Bleiben wir im unteren Bereich. Ein ganzes Orchester, eine Big Band oder ein Bühne voller Schlagwerk in den Raum zu stellen, bereitet der Giglio keinerlei Mühe. Klang und Resonanzkörper füllen mühelos den Raum und das auch mit dem gebotenen Nachdruck und viel Luft auf der virtuellen Bühne.

Moderne Konstruktion. Der in Zusammenarbeit mit Scan-Speak entwickelte Tieftöner mit Fiberglasmembran, das auch den Lautsprecherkorb verstärkt
Moderne Konstruktion. Der in Zusammenarbeit mit Scan-Speak entwickelte Tieftöner mit Fiberglasmembran, das auch den Lautsprecherkorb verstärkt

Glücklich, wer ordentlich Leistung zur Verfügung hat. Pumpt man diese in die kleinen Lautsprecher, werden sie souverän laut und ungemein dynamisch. Lediglich im Basskeller ist irgendwann Schluss, was bei dem enorm sauberen und differenzierten Oberbass aber nur bei elektronischer Musik richtig ins Gewicht fällt. Geht aber auch. Delikat wird es dann, wenn beispielsweise ein im Takt mittappender Fuß aufgenommen wurde und die Giglio dies als Tieftonschwingung besonders frei und ansatzlos zu Gehör bringen. Sind aber Spielereien, wie sie auf Messen gern genutzt werden, um mal wieder High-End zu zelebrieren.

Nein, da kann die Giglio viel mehr. Björk mit „Oh so quiet“ hat alles, was man braucht, um einen Lautsprecher zu testen. Fein- und Grobdynamik, eine Frauenstimme, Big-Band und ein Glockenspiel. Das ist schon ganz großes Kino wie Frau Gudmundsdottir ihre Kapriolen schlägt und die Band nochmal eine Schippe drauf legt – das geht im schnellen Teil mächtig los, um dann in den ruhigen Parts richtig intim zu sein. Wenn es das ist, was „Reality“ meint, dann ist die Giglio nah dran. Vielleicht sind Stimmen manchmal etwas zu direkt und etwas mehr Mund als Brustkorb, aber so klingt das live ja an sich auch fast immer. Bei Chören wird ohne jede Analytik ausgezeichnet differenziert, und wenn da Obertonschwingungen fast lästig drücken, reicht die Rosso Fiorentino das auch so durch. Das gleiche bei Klavier, das extrem gespielt wird. Obwohl: Ohne jede Betonung des Hochtonbereichs gehen Becken niemals unter, wird auch das Blecherne nicht unterschlagen. Und das, ohne jemals lästig zu werden. Es macht richtig Spaß, mit den Lautsprechern auch mal Vollgas zu geben – unabhängig von der Musikrichtung. Dabei bleiben die mittleren Lagen ausdrucksvoll und detailliert. Nichts geht unter und im großen Getümmel geht nicht nur nichts unter, sondern wird fast aufreizend souverän an die richtige Stelle gestellt oder im Raum kreiseln gelassen. Das hat hier bisher nur die PMC DB1 Gold so schön hingekriegt, die aber weder so laut und dynamisch kann noch im Bassbereich mitkommt und auch diese Magie nicht verbreiten kann. Dafür hat sie etwas schönere Stimmen. Irgendwas ist ja immer. Räumlich gibt es an sich gar nichts zu meckern. Durch die präzise Staffelung und die enorme Differenzierungsfähigkeit ist das richtig, wenn auch nicht überbordend ausladend. Mir ist jedenfalls nichts Kritikwürdiges aufgefallen. Sie merken schon, ich hatte richtig Freude mit den Dingern.


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