Sodele, nun wollen wir uns das alles doch einmal genauer anhören. Den Röhren – und nicht nur diesen – sollte man eine Einspielzeit von mindestens 50 Stunden gönnen. Mindestens. Besser wären 100, da muss man einfach durch. Einfaches Vorglühen hilft zwar den Röhren, die Kondensatoren und Transformatoren wollen aber auch beschäftigt werden, und da hilft nur eines: Musik spielen. Dies ist nun keine Ayon-typische Eigenschaft, sondern gilt für jedes Röhrengerät. Allerdings kann man auch bei relativ uneingespieltem Gerät bereits hören, wohin die Reise wohl gehen wird.
Nach Abschluss dieser Aufwärmphase geht es dann ans Eingemachte. Dafür habe ich zunächst eine Aufnahme mit dem Concerto Köln herausgesucht. Das Concerto Köln ist ein Orchester, das sich auf die historische Aufführungspraxis der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Die vorliegende Scheibe entstand zum 250-jährigen Jubiläum von Wolfgang Amadeus Mozart. Daraus der erste Titel, die Ouvertüre zur Oper Die Zauberflöte. Bereits nach den ersten Takten wundert man sich, dass hier nur 11 Musiker spielen. Die Orchester-Darstellung über die Spheris III wirkt sehr großräumig, unsere Hörer jenseits des Atlantiks würden dies vielleicht als „large scale“ bezeichnen. Räumlich betrachtet ist die Wiedergabe etwas mehr breit als tief. Es ist sehr leicht herauszuhören, dass hier die Violinen links und rechts gegenüber angeordnet sind, so wie es Ende des 18. Jahrhundert üblich war. Die Musiker bestehen aus Fleisch und Blut. Trotzdem gehen Feinheiten, wie die Tatsache, dass hier auch ein Cembalo mitspielt, nicht unter. Das spricht für die hohe Auflösung der Vorstufe. Auch der spezielle Klang der historischen Musikinstrumente wird sehr natürlich wiedergegeben. Durch die differenzierte Artikulation des Orchesters ist hier eine höchst interessante und packende Interpretation entstanden, die ein bisschen an Rossini erinnert.
Inspiriert von dem Autobahnmaut-Kasperltheater nehmen wir doch einmal die Solo-Klavier Aufnahme: Vignettes mit Marilyn Crispell, erschienen auf ECM. Crispell wurde oft mit Cecil Taylor verglichen und gilt als Verfechterin des Modern Creative Jazz, besitzt aber auch einen ausgeprägten Sinn für lyrisches Spiel. Diese Einspielung hat teilweise einen mehr introvertierten Charakter; jeder wird einmal älter. Trotzdem erinnert das erste Stück ein bisschen an John Cage.
Bei dieser Aufnahme hat der Tontechniker wohl etwas nachgeholfen, der Flügel klingt mitunter extrem spektakulär, als wären die Mikrofone in das Instrument gefallen. Auch der Raumhall wirkt ein wenig künstlich. Das fällt über eine normale Kette nicht in der Form auf, wird aber mit der Spheris III extrem deutlich. Hat aber mit der eigentlichen Musik nichts zu tun, weiß ich. Jedenfalls spielt Crispell auf Vignette #1 offensichtlich mit offenem Pedal, das heißt die einzelnen Töne und deren Nachhall überlagern sich ständig und werden auch noch im Korpus des Instruments zigmal reflektiert, mit allen Schwebungen und Resonanzen. Am Ende des Stückes hört man noch das immer leiser werdende Nachklingen der Saiten, die anschließend durch das Pedal gedämpft werden, kurz darauf wird die Aufnahme gestoppt, der ganze Raum ist plötzlich weg. Beeindruckend auch die Anschlagsdynamik, wodurch der Flügel sehr lebensecht wiedergegeben wird. Man bekommt das Gefühl, da vorne steht er!
Zum Abschluss und als Kontrast noch etwas Fetziges, Manu Dibango Live ’91. Dibango ist ein Saxophonist aus Kamerun, der seinerzeit einen neuen Musikstil kreiert hatte, indem er Jazzelemente mit der kamerunischen Tanzmusik Makossa verbunden hat. Soul Makossa war in den 70ern sein erster Hit, aus dem später sogar Michael Jackson den Refrain geklaut hatte. Jedenfalls hatte Dibango 1991 bei einem Livekonzert in der Münchener Theaterfabrik ein Feuerwerk abgebrannt, das es in sich hatte. Die CD entstand nun im selben Jahr, mit derselben Besetzung, nur an einem anderen Aufnahmeort. Leider war in diesen Jahren die Digitaltechnik noch nicht so weit fortgeschritten, so dass die CD technisch gesehen nun nicht der Wahnsinn ist. Wenn man die Spheris III nun als Mensch betrachten würde – etwa als Butler James in „Dinner For One“ – könnte man sehen, wie er sich abmüht, aus dem vorhandenen Material noch etwas Brauchbares zu formen. I’ll do my very best, sozusagen.
Jedenfalls erinnert mich die Wiedergabe hier sehr an das Konzert damals, bei allen Schwächen der CD. Um diese Musik leben zu lassen, sind makrodynamische Fähigkeiten gefragt, die der Ayon hier in außergewöhnlichem Maße liefern kann. Es gelingt ihm, eine mittelmäßige Aufnahme so zu präsentieren, dass man trotzdem seinen Spaß hat.