Was auf den ersten Blick aussieht wie ein drei Wege Lautsprecher, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Zweiwegsystem mit Unterstützung einer Passivmembran für den Bassbereich. Eine Passivmembran verhält sich ähnlich wie eine Bassreflexöffnung, ist aber bei der Abstimmung flexibler und vermeidet Strömungsgeräusche, wie sie bei einer Reflexöffnung und hohen Schallpegeln auftreten können.
Bei der Chassisbestückung hat sich Kaiser auch nicht lumpen lassen und auf die Toplinie des dänischen Herstellers Scan-Speak zurückgegriffen. Scan-Speak hatte schon immer hervorragende Chassis hergestellt, auch wenn momentan Chassis mit Keramikmembran „in“ sind, ändert dies nichts an der Tatsache. Der 15-Zentimeter-Basslautsprecher aus der „Illuminator“ Serie besitzt eine Papier-Sandwich-Membran und einen Neodymantrieb. Der Bass ist als Langhubsystem ausgelegt und kommt damit auf eine Resonanzfrequenz von 34Hertz. Toll gemacht ist auch die offene und strömungsgünstige Bauweise des Treibers, hier hat Scan-Speak wirklich alle Register gezogen. Unterstützt wird der Bass durch eine 18-Zentimeter-Passivmembran, ebenfalls von Scan-Speak, offensichtlich aber speziell für Kaiser in dieser Form und Größe hergestellt. Kleiner Wermutstropfen für einen Hochwirkungsgrad-Fan: Der Scan-Speak-Bass hat lediglich 87 Dezibel Empfindlichkeit.
Den Hochtonbereich übernimmt ein Mundorf Airmotiontransformer. Beruhend auf einer Erfindung von Oskar Heil kann der AMT durch seine gefaltete Membranform mit vergleichsweise geringen Membranbewegungen einen wesentlich höheren Schalldruck erzeugen als ein Bändchen. Für die Chiara wurde natürlich kein Treiber von der Stange verwendet, sondern Mundorf hat den AMT in einer Sonderanfertigung nach den Vorgaben von Kaiser gefertigt.
Für den Klang mitentscheidend ist die Auslegung der Frequenzweiche, sowohl von der Konstruktion her, als auch von der Qualität der Bauteile. Weber benutzt hier Kondensatoren, Spulen und Widerstände des dänischen Herstellers Duelund, die weltweit zu den Topprodukten zählen. Und sich auch preislich in der obersten Region bewegen. Lediglich eine Spule im Parallelkreis wird von Mundorf geliefert, eine entsprechend große Duelund-Spule hätte nicht mehr in das Gehäuse gepasst.
Nun stellt sich für den Konstrukteur die Frage, wie er die Weiche auslegen will. Die eine Hörergruppe wünscht einen möglichst geraden Frequenzgang. Mit einer größeren Anzahl von Sperr- und Saugkreisen und ähnlichen Korrekturgliedern lässt sich nun jeder Frequenzgang irgendwie gerade biegen. Die Frage ist dann immer, wie es hinterher klingt. Die andere Fraktion will eher einen Lautsprecher, der beim Musikhören Spaß macht, aber vielleicht nicht ganz der wahren Lehre entspricht.
Der Konstrukteur der Chiara, Rainer Weber ist nun einen völlig anderen Weg gegangen, durch seinen professionellen Hintergrund im Zusammenhang mit akustischen Phänomenen ist die Chiara etwas anders abgestimmt als das sonst üblich ist. Auf diesem Wege ist es unter anderem auch gelungen, der Chiara eine realistische Größenabbildung beizubringen. Über technische Details hierzu möchte sich der Hersteller verständlicherweise nicht äußern. Zudem werden die Messungen hierfür mit einem Kunstkopf-Mikrophon gemacht, damit soll das Ergebnis am ehesten dem entsprechen, wie das menschliche Gehör dies wahrnimmt.
Einer meiner Lieblingsmusiker ist der Spanier Jordi Savall, der bei seiner Einspielung Du temps et de l’instant mit seiner Frau, der Sängerin Montserrat Figueras und mit Sohn und Tochter auftritt. Die von Savall ausgewählte Musik kommt aus den unterschiedlichsten Ländern, von Afganistan bis Mexiko. Der erste Titel, „Cantiga de amigo V“ stammt aus dem 13. Jahrhundert von dem galizischen Künstler Martim Codax. Die CD ist hervorragend aufgenommen, was über die Chiara auch sofort klar wird. Die Wiedergabe akustischer Instrumente scheint überhaupt eine große Stärke des Lautsprechers zu sein. Eine Theorbe, wie sie hier Ferran Savall benutzt, hat einen deutlich anderen Klang als eine Gitarre und das nicht nur wegen des nach unten erweiterten Tonumfangs. Das gleiche gilt für die Viola da Gamba von Jordi Savall. Diese Feinheiten abzubilden, ist ein Leichtes für die Chiara. Dazu kommt die fantastische Stimmenwiedergabe, hier von Monserrat Figueras. Die Gesamtdarstellung ist vollkommen homogen, wie aus einem Guss. Auf die exzellenten Abbildungsfähigkeiten der Box hatte ich ja bereits hingewiesen, erstaunlich ist dabei, dass die Musiker in realistischer Größe abgebildet werden. Dies ist ja bei Kompaktlautsprechern dieser Größe oftmals ein Problem.
Szenenwechsel: The Modern Jazz Quartet mit der Aufnahme Blues on Bach. Bevor jetzt die Hardcore-Klassikfans unter uns die Nase rümpfen, möchte ich doch hervorheben, dass es sich hier um ein sehr interessantes Konzept handelt. Es ging seinerzeit nicht darum, Melodien von Bach irgendwie jazzmäßig zu verhunzen, sondern John Lewis wollte einfach andere anspruchsvolle Formen und Strukturen in den Jazz integrieren. Das wird den Klassikfan nicht milder stimmen, ich weiß. Die „Kantate BWV 147 Jesu bleibet meine Freude“ trägt nun die Handschrift von Bach und dem MJQ. Hier kommen als erstes wieder die grandiosen Abbildungsfähigkeiten der Chiara zum Tragen, die Instrumente stehen als dreidimensionale Gebilde greifbar im Raum. Die Aufnahme hat etwas Patina, das Cembalo hat nicht das Feuer und die Obertonvielfalt, wie man es sonst von guten Aufnahmen her kennt, es klingt mitunter etwas künstlich. Beim Vibraphon hat man sich offensichtlich etwas mehr Mühe gegeben. Der Kontrabass ist gut aufgenommen und wird über die Chiara auch körperhaft und sehr farbig abgebildet. Das Ganze klingt nicht nach „Box“. Dies ist alles sehr einfach mit dem Lautsprecher zu hören. Wenn man darauf achtet. Ansonsten lenkt der Lautsprecher den Fokus auf die Performance der Künstler. So soll es eigentlich auch sein.
Kaiser hat mit der Chiara nicht einfach irgendeine sinnlose Materialschlacht gestartet – Hauptsache teuer – sondern die Konstruktion ist wohldurchdacht und absolut perfektioniert. Man merkt hier die Liebe zum Detail bei jeder Kleinigkeit. Beim Ausrichten der Lautsprecher sollte man sich etwas Mühe geben. Bei mir war die Fokussierung und Raumabbildung am besten, wenn sie parallel zueinander ausgerichtet waren. Vielleicht noch einen Hauch nach innen gedreht. Dies muss natürlich nicht überall genauso sein. Direkt auf den Hörer ausgerichtet wird die Hochtonwiedergabe etwas kräftiger. Die Proportionen der Musiker stimmen sehr gut, man bekommt niemals das Gefühl, vor einem Puppentheater zu sitzen. Wenn man die Augen schließt, glaubt man einen großen Standlautsprecher vor sich zu haben. Dies habe ich bei einem Lautsprecher dieser Größe noch nie so gehört. Im Tiefbass darf man keine Wunderdinge erwarten, dies wäre von einem 15-Zentimeter-Basstreiber auch zu viel verlangt. Aber die Chiara schlägt sich in meinem 40 Quadratmeter großen Raum absolut hervorragend! Dies hätte ich eigentlich in der Form nicht erwartet.