Als Magnetmaterial wird AlNiCo 6 verwendet, wie es bis in die 50-er früher üblich war, bis dann wegen des Kostendrucks auf billigere Materialien wie Ferrit gewechselt wurde. Der Magnet bringt 5,7 Kilogramm auf die Waage! Dazu eine Schwingspule mit 54 Millimetern Durchmesser, was für einen 20-er Breitbänder schon ungewöhnlich groß ist. Um Gewicht zu sparen, ist diese einlagig mit Aluminium Flachdraht gewickelt. Zudem ist die Schwingspule hinterlüftet. Als Membranmasse werden 9,5 Gramm angegeben, was mir in Anbetracht einer 54-Millimeter-Schwingspule bei einem 20-er Chassis mit bedämpfter Membran schon sehr wenig vorkommt. Nun ja, ich kann es nicht nachmessen. Die Chassis werden sämtlich in Troyes, Frankreich per Hand gefertigt.
Als Kennschalldruck gibt der Hersteller 94 Dezibel pro Watt und Meter an, durch die hohe Empfindlichkeit könnte die MVOne für Röhrenverstärker ab 5 Watt und Transistorverstärker ab 25 Watt geeignet sein. Ob eine 300B damit klar kommt, müsste man probieren; ein derartiger Verstärker stand mir nicht zur Verfügung. Allerdings hat die Shindo Cortese mit ihren 10 Watt Ausgangsleistung hervorragend mit der MVOne harmoniert.
Das Chassis vereint also einige Forderungen an den „idealen“ Lautsprecher, zumindest aus „Röhrensicht“: Es arbeitet ohne Frequenzweiche, die ihrerseits wieder zu Fehlern neigt. Es besitzt einen hohen Wirkungsgrad und ist leicht anzutreiben, benötigt also keine riesigen Dämpfungsfaktoren. Das Gehäuse ist als Bassreflexkonstruktion ausgelegt, die Reflexöffnung ist unten am Gehäuse als breiter Schlitz zu sehen. Die Lage der Reflexöffnung im Gehäuse ist für die Basswiedergabe ja nicht ganz unerheblich; hier hat man sich für die Position möglichst weit entfernt vom Chassis entschieden.
So, nach dem gelungenen Start mit Taj Mahal wollen wir aber doch einmal sehen, ob der Lautsprecher auch mit komplexerer Musik klarkommt. Als erstes kommt Dmitri Shostakovich, das Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda ins Laufwerk. Shostakovich zählt zu den bedeutendsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er schrieb zwar Hymnen für Josef Stalin, blieb aber auf Distanz zum Stalinistischen System. Die vorliegende Musik basiert auf einem Märchen von Alexander Pushkin. Auf Grund einer Kritik seiner Musik in der Pravda wurde das Märchen zu Lebzeiten von Shostakovich nie veröffentlicht und auch erst später von einem seiner Studenten fertig gestellt. Die vorliegende Aufnahme mit Dmitrij Kitajenko und dem MDR Sinfonieorchester ist interpretatorisch, aber vor allem aufnahmetechnisch hervorragend gelungen. Die Musik besteht aus einem Wechsel von kleiner Orchestrierung, gefolgt von forte-Passagen mit dem ganzen Orchester. Das Ganze erinnert ein bisschen an Peter und der Wolf von Sergej Prokofjew.
Die kleinen Gruppen werden wunderbar plastisch und sehr transparent dargestellt, auch die Pikkoloflöte mit ihrem Obertonspektrum bis über 10 Kilohertz macht dem Breitbänder keine großen Probleme. Das hat mich jetzt schon überrascht. Natürlich kann ein guter Hochtöner den oberen Frequenzbereich noch präziser abbilden, aber mit der MVOne fehlt einem nichts Entscheidendes. Die Passagen mit großem Orchester werden eher kompakt abgebildet, das Orchester zerfällt nicht in einzelne Instrumente. Man kann also nicht die einzelnen Musiker abzählen, sofern dies irgendjemand vorhaben sollte. Daneben ist grobdynamisch bei dieser Aufnahme einiges geboten, was der Lautsprecher auch entsprechend realistisch wiedergeben kann.
Als nächstes probieren wir einmal eine Gesangsstimme, Jane Monheit mit dem Album taking a chance on love. Gleich das erste Stück: „honey suckle rose“. Das Kontrabassintro kommt schon einmal sehr glaubwürdig rüber. Der Bass ist hier sehr farbig und auch sehr direkt aufgenommen, was die MVOne auch mit allen Nuancen wiedergibt. Wir erinnern uns, der tiefste Ton beim viersaitigen Kontrabass ist 41 Hertz, in diesem Bereich wird sehr viel Luft bewegt, kleine Chassis können da schon einmal in Schwierigkeiten kommen. Mit klein meine ich auch ein 20-er Chassis. Kein Problem aber für die MVOne. Töne unterhalb dieser Frequenz können sowieso nur von sehr wenigen Instrumenten wiedergegeben werden, wie beispielsweise einem Kontrafagott oder einer großen Orgel. Und natürlich auch nur dann, wenn sie innerhalb der Komposition vorkommen. Ähm, was wollte ich eigentlich, ach ja, die Stimme von Jane Monheit. Wenn alles perfekt stimmt, steht bei dieser Aufnahme die gute Jane direkt vor einem im Wohnzimmer. Diese Illusion klappt mit der MVOne ganz hervorragend, zudem kommt hier die ganz große Stärke des Lautsprechers zum Tragen: die natürliche und homogene Mittenwiedergabe. Trotzdem wird hier nichts geschönt, die teilweise etwas vorlauten Sibilanten bleiben uns auch mit der MVOne erhalten.
Sodele, jetzt wollen wir doch einmal sehen, ob wir die MVOne auch ein bisschen ärgern können. St. Germain Tourist ist eine CD, die vor einigen Jahren in München bei jedem „In“-Friseur gelaufen ist. Das soll keine Bewertung sein, die Musik ist sehr gut gemacht. Dieses Album des französischen Künstlers Ludovic Navarre könnte man vielleicht als Mischung aus House und NU Jazz bezeichnen. Neben den elektronischen Arrangements von Navarre sind auch noch Musiker mit akustischen Instrumenten von der Partie. „Rose Rouge“ ist der erste Titel, bei dem es gleich zur Sache geht. Hier lässt die MVOne gleich einmal nichts anbrennen, in Verlegenheit bringen kann man sie mit den Keyboard-Bässen nicht. Leicht kann man auch hören, dass der treibende Rhythmus am Anfang aus dem Computer stammt und lediglich von dem Percussionisten etwas aufgebretzelt wird. Die gestopfte Trompete von Pascal Ohse erinnert sehr stark an den warmen Sound von Miles Davis. Ohse benutzt den gleichen Harmon Dämpfer wie Miles, mit dem dieser typische Mickey Mouse Sound möglich ist. Die Musik lebt sehr stark von den dynamischen Fähigkeiten der Musikanlage und hier kann die MVOne deutliche Akzente setzen.