Gestartet habe ich etwas unkonventionell. Da meine Kinder (knapp zwei und fünf) in letzter Zeit einfach zu viel softes Zeug (De la Soul, Young Deciples) gehört haben und jetzt langsam alt genug sind, liegt noch vom Vortag Nirvanas Nevermind auf dem Plattenteller. Auch wenn das nicht als die High-End-Versuchung par excellence erscheinen mag, ist schnell klar, dass der ifi iPhono mächtig zur Sache gehen kann. Im Bass kräftig und mit genau dem richtigen Punch. Dazu gibt’s dann richtige E-Gitarren und die grölende Stimme von Kurt Cobain. Die schält sich auch im lautesten Getümmel immer noch klar heraus und zeigt schon hier auf, dass die Phonostufe keineswegs nach ihrem Preisschild beurteilt werden will. Auch grobdynamisch liegt alles im grünen Bereich. Der ifi iPhono spielt aus dem Stand wesentlich größer, reifer und kompletter auf als erwartet. Hätte man mir das Gerät mit dem Kommentar „hör mal rein, kostet 1500“ in die Hand gedrückt, ich hätte auch nicht die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, schon gar nicht in Anbetracht der Ausstattung.
Ungefähr zehn LPs später kommt man dann langsam zu einer ersten Einordnung. Der ifi iPhono bringt das Kunststück fertig, sehr richtig und echt zu klingen. Dieser rein subjektive Eindruck hat nichts mit stumpfer Neutralität zu tun, sondern spricht für das ausgesprochen glückliche Händchen, das der Entwickler bei der Abstimmung hatte. Irgendwie erinnert mich die Performance spontan an das Gefühl, das ich früher gehabt habe, wenn ich LP gehört habe, als noch keine CD als tonale Referenz oder Konkurrenz zur Verfügung stand. Eben LP. Der ifi iPhono macht das so gut, dass der Wechsel zum digitalen Medium auf beunruhigende Art und Weise erst mal falsch klingt, bis man sich wieder an die andere Reproduktion gewöhnt hat.
Penelope Houstons Stimme auf der Whole World ist teilweise etwas überproduziert, S- und Zischlaute stehen neben der Stimme, was die ansonsten ausgezeichnete Aufnahme manchmal etwas trübt. Der ifi iPhono verschmilzt Stimme und Zischen zu einem Ganzen, was wesentlich angenehmer und ja, auch echter wirkt. Bei der vernuschelten Ansage von „Olinga“ auf der Musician-Composer-Raconteur hat Dizzy Gillespie Luft um sich, steht auf der Bühne und ist überraschend gut zu verstehen. Ein schönes Beispiel für die außergewöhnliche Fähigkeit, eine realistische Bühnendarstellung zu erzeugen, ist die Body and Soul von Joe Jackson. Bei „Loisaida“ und „Be My Number Two“ kann man die Positionen der Drums im Raum hervorragend nachvollziehen. Dabei zeigt sich der kleine Phonopre erfreulich detailfreudig mit Präferenzen. Bei „Olinga“ mit Dizzy Gillespie hat Milt Jackson einen Solopart am Vibraphon. Der ifi iPhono lässt das Instrument wunderschön fließen und in seinen Verästelungen ausklingen und schwingen. Überhaupt erklingen Details teilweise in selten gehörter Intensität. Bei David Sylvians „Red Guitar“ von der Brilliant Trees schwebt das Klavier fast, als wenn es durch eine geöffnete Tür aus dem Nebenraum kommt. Besonders Becken und Perkussion hat der Kleine in sein Herz geschlossen und widmet sich An- und Ausschwingen einzelner Schlaginstrumente mit Hingabe. Dies ohne jede aufgesetzte Analytik, sondern sehr geschlossen und selbstverständlich. Der Bass hat Autorität, Wucht und Fülle und läuft schön, so soll das sein. Dabei ist er niemals übertrocken. Erwähnte ich schon, dass der Vorverstärker sehr sauber und praktisch rauschfrei spielt? Und dies bei MM und MC, unabhängig von der gewählten Verstärkung!
Kommen wir also auch mal zur Klassik. Der ifi iPhono spielt sowohl großorchestrales Programm als auch Kammermusik sehr ausgeglichen, dabei räumlich exakt mit genauer, unverrückbarer Position von Instrumenten(gruppen). Stimmen werden mit der richtigen Mischung aus Volumen und Umriss abgebildet, auch jetzt drängt sich wieder der Begriff „authentisch“ auf. Dabei behalten Triangel und Percussion ihren vollen Pegel und ihre Strahlkraft, ohne aggressiv zu klingen. Viele werden das als ketzerisch empfinden, aber tonal ist die Wiedergabe dicht an der CD, dazu mit den typischen Anreicherungen bedingt durch die mechanische Abtastung, was sich zum einen in gesteigerter Plastizität und Durchhörbarkeit, zum anderen in etwas verrundeten Ecken und Kanten, ergo einer angenehmeren Wiedergabe niederschlägt. Perfektes Hifi also. Aber eben auch kein aufgeblasenes, auf analog getrimmtes Klangbild mit epischen Räumen, Monsterbass und zärtelndem, aber schimmerndem Hochtonbereich. Wenn etwas musikalisch an dem Gerät ist, dann die Musik, und das hat jeder selbst in der Hand durch die Auswahl der Konserve.
An dieser Stelle ist es Zeit, sich den verschiedenen Entzerrungsmöglichkeiten zu widmen. Dabei stellt sich die Empfehlung, einfach herumzuprobieren als die einzig richtige heraus. Von den zahlreichen Deccas, die ich besitze, profitiert nur die Symphonie aus der neuen Welt von Dvorak unter Istvan Kertesz mit den Wienern von 1961. Mehr räumliche Auflösung, Fülle bei den Pauken und Glanz bei den Streichern, das gefällt mir richtig gut. Mussorgsky/Ravels Bilder einer Ausstellung unter Zubin Mehta mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra von 1967 bekommt die Entzerrung gar nicht, ebenso wie den Deccas aus den 70-ern. Dafür in ungeahnter Weise eine Deutsche Grammophon von 1967. Prokofieffs Klavierkonzert Nr. 3 unter Claudio Abbado mit den Berlinern und Martha Argerich am Klavier habe ich nur behalten, weil ich die Interpretation besonders mag, klanglich fand ich die LP immer grenzwertig bis unterirdisch – grell, dabei dünn, fade und irgendwie vernebelt. Nicht so mit dem ifi iPhono. Sicherlich immer noch kein audiophiles Juwel, stimmt jetzt der Raum mit der vorne/hinten Ortung, die Streicher haben den so vermissten Körper, und bisher unter dem Klangbrei verborgene Details erscheinen im neuen Licht. Dieser Effekt stellt sich bei diversen älteren DGs ein, auch eine EMI von 1972 profitiert hörbar. Die Entzerrungskurve scheint sehr bedacht und praxisorientiert gewählt worden zu sein. Eine tolle Sache für Liebhaber älterer Aufnahmen, ich möchte darauf in Zukunft nicht mehr verzichten. Das von Thorsten Loesch angedeutete Chaos scheint Realität zu sein. Philips ist scheinbar brav und konsequent auf RIAA umgeschwenkt, eine Columbia befindet sich nicht in meinem Fundus. Demnächst werde ich mir mal die Orbis-Pressungen vornehmen.
Bleiben noch IEC und eRIAA. Erstere bringt nur etwas, wenn man einen Subsonicfilter braucht, letztere ist interessanter. Wie angedeutet, werden heute LPs nur noch selten entsprechend der technischen Gegebenheiten des Mediums produziert beziehungsweise gemastert, um die nun mal vorhandenen Unzulänglichkeiten auszugleichen. Voller Pegel im Bass, zu wenig Höhen, kein Headroom und Kompression im falschen Bereich sind oft das Ergebnis, und entsprechend frustrierend kann der direkte Vergleich zwischen CD und LP ausgehen. Dies soll durch eRIAA gemildert werden. Und tatsächlich klingt die In Rainbows von Radiohead mit dieser Schaltung frischer und etwas aufpoliert, auf jeden Fall wesentlich angenehmer als ohne. Wer aufgrund der beschriebenen Verfahrensweise bei Neuproduktionen bisher einen Bogen um neue Schallplatten gemacht hat, kann mit dem ifi iPhono zukünftig auch diese Aufnahmen goutieren.