Mit den größten Silikonaufsätzen bewährt, erreichen um viele Dezibel gedämpft nur noch Reste des Geklappers mein Trommelfell, Musikhören ist in dieser feindlichen Umgebung so kein Problem. Dank des eindrucksvollen Wirkungsgrades bleibt der Volumensteller in moderater Position. Ein Austesten der Leistungsfähigkeit des Abspielers führt zu monströsen Pegeln, die, ob der Unmittelbarkeit der Entstehung, dem Hörvermögen bei längeren Einsatz fraglos abträglich wären. Vom Berliner Musiker und DJ Vincenzo Ragone stammen die glänzend produzierten Töne auf dem zugigen Bahnsteig. Der Song „Baited Breath" groovt wunderbar satt aus dem kleinem Hörer. Knorrig und tief der Bass, samtig die Mitten zugleich irisierend in den hohen Lagen. Gründliches Einspielen ließ die leichte Heiserkeit, die noch den ersten Kontakt am Abend zuvor kennzeichnete, ausheilen. Deutlich nachlässiger erstellt ist die nächste MP3-Datei „Don´t drink the water“ von der Dave Matthews Band, ein Umstand, den der GR 10 umgehend mit einer eher blassen wenn auch lebendigen Wiedergabe bestraft.
Nach diesem Feldversuch zieht es mich zurück in ruhigere heimische Gefilde. Verkabelt mit dem Laptop ruf eich für den Hörer in iTunes gezielt unkomprimiert MusikFiles auf. Herrliche Klangcollagen von Rene Aubry bilden den Auftakt zu einer langen Hörsession. Im Stück „Alice“ vom Album Refuges verschmelzen zarte Saiten- und Klavieranschläge mit elektronisch verfremdeten Instrumentengruppen. Unterlegt wird die fragile musikalische Struktur von einem gesampelten Herzschlag. Wie die meisten Longplayer von Aubry ist die Aufnahme erstklassig eingespielt. Trotz des eher bescheidenen Kopfhörerverstärkers im Rechner kann das Ergebnis betören. Die Instrumente werden körperhaft dargestellt, zudem entsteht außerhalb der Schädelmitte ein realistischer imaginärer Raum. Kraftvoll, mithin verstörend durchbricht der dumpfe Pulsschlag das Klanggebilde, ungewöhnlich fein und präzise präsentiert sich der Hochtonbereich
Bei weiteren Hörproben, deren Bogen sich von orchestralen Werken (Mahler) zu stimmgewaltigen Songs (Lizz Wright und Lou Rohdes) spannte, bewies der Hörer jeweils seinen sensiblen Umgang mit dem gebotenen Material – Limits setze nur der Zuspieler. Mit dem Wechsel zur „großen“ Anlage mit einem „richtigen“ Kopfhörerverstärker sollten diese Restriktionen aufgelöst sein. Und fürwahr, mit dem neuen Setup begann die Party.
Ungemein dynamisch und mit großer Liebe fürs Detail spielte sich der In-Ear Hörer durch das Programm. Im Vortrag eher sehnig als füllig, dabei mit natürlichen Klangfarben und einer faszinierenden Klarheit gesegnet. Speziell Live-Aufnahmen entwickeln einen ungeheuren Charme: knarzende Klavierhocker, das leise Hüsteln vor dem Einsatz, die Rufe aus dem Publikum, vieles davon habe ich selten so greifbar wahrgenommen. Die Playlist wird immer umfangreicher und mit geradezu kindlicher Freude fahndete ich in dem bekannten Stücken nach den kleinen Fehlern und Lebenszeichen der Musiker respektive Techniker.
Die Finesse des Grado bewirkt allerdings auch manche Grausamkeit, denn schlechte Signale klingen eben auch so. Anderseits bin ich bei dem Vergleich von inhaltsgleichen, aber verschieden aufgelösten Dateien – CD versus HighRes – geneigt anzunehmen, zwei unterschiedlichen Musikstücke zu lauschen, so apodiktisch ist das Resultat.
Dass Unperfektes aber auch gehörig Spaß machen kann, beweist das Vinyl-Debüt von Lianne La Havas Is your love big enough?. Rauschfahnen und ungewollte Verzerrungen werden vom GR 12 genüsslich seziert, aber trotz oder gerade wegen dieser Defizite ist eine bisweilen ergreifende Produktion entstanden. In all seiner Pracht wird als Schlusspunkt des Hörtest das wunderschöne Musikstück „ Soyeusement“ von der gleichnamigen, im Frühsommer 2011 in Frankreich aufgenommenen Langspielplatte, reproduziert.
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