Nicht nur technisch gesehen gehört der W20 zu den Schwergewichten der Szene, sondern bei einem Lebendgewicht von 19 Kilogramm auch physisch. Die Verarbeitung ist – wie bei Aurender gewohnt – hervorragend. Grau ist alle Theorie, entscheidend is aufm Platz (frei nach Adi Preißler). Zur ersten klanglichen Beurteilung einer Komponente benutze ich immer Musik mit akustischen Instrumenten. Deshalb kommt als erstes ein Stück aus der CD Hands von Dave Holland und Pepe Habichuela auf den... Quatsch, natürlich nicht auf den Teller, es wird über das iPad angewählt. Neben Altmeister Holland am Kontrabass ist quasi der gesamte Habichuela Clan mit von der Partie. Eine ganze Dynastie an Flamenco Gitarristen, die mehr oder weniger schon mit der Gitarre in der Hand auf die Welt kommen. Pepe Habichuela spielt auf einer Flamencogitarre mit Zedernholzdecke, wie sie für die Gegend um Granada typisch war. Der Zederndecken-Sound ist etwas hölzerner, nasaler als beispielsweise bei einer Fichtendecke, aber eben muy flamenco! Und genau das möchte ich auch über eine Musikanlage hören! Was als allererstes – hifimäßig - auffällt ist die unglaubliche Ruhe und Souveränität, mit der die Musik dargeboten wird. Am besten vergleichbar mit einem guten analogen Masselaufwerk. Damit meine ich aber nicht, dass der gute Pepe hier auf Valium ist, ganz im Gegenteil! Das ganze Feuer in der Flamenco Musik kommt auch entsprechend packend rüber. Wäre dem nicht so, würde ich das Ding sofort wieder einpacken.
Oben angesprochene tonale Feinheiten der Gitarren als auch die Darstellung es Kontrabasses als dreidimensionaler Hohlkörper sind sensationell. Punkt. Auch die Akustik des Aufnahmeraums ist sehr deutlich zu hören, man hat das Gefühl, in den Aufnahmeraum hineinzuschauen. Die einzelnen Gitarren sind klar voneinander getrennt, was nicht immer zu hören war, zumindest nicht so deutlich. Als nächstes habe ich ein altes Decca Schlachtross ausgegraben, das in den 80er Jahren auf jeder Hifi-Vorführung zu hören war: „Asturias“ aus der Suite Española von Isaac Albéniz. Hier die Orchesterfassung, bekannter ist das Ganze eher als Transkription für Gitarre geworden. Das Stück ist toccatenartig aufgebaut und weist einige spektakuläre Blechbläser-Attacken auf, die schon manchem Hochtöner das Leben gekostet haben. Andererseits würde die spektakuläre Wirkung bei gedämpfter Zimmerlautstärke natürlich vollkommen verpuffen. Aber nicht nur der Mittel-Hochtonbereich der Blechbläser wird sehr sauber abgebildet, sondern auch der Grundtonbereich kommt über den W20 mit hoher Präzision. Am meisten überrascht hat mich hier der Klang der Violinen, die bisher eher etwas „streng“ wiedergegeben wurden. Übrigens auch bei der Schallplatte. Nicht so über den Aurender; trotzdem werden daraus natürlich keine samtig-weichen Violinenklänge wie sie damals bei den Living Stereo Aufnahmen zu hören waren. Zudem kann der W20 die Musik zu einem harmonischen Ganzen zusammensetzen; wie oft habe ich dieses Stück schon völlig in seine Einzelteile zerfallen gehört. In der Ruhe liegt die Kraft, dieser Spruch fiel mir immer wieder ein, wenn das Orchester aus dem Nichts heraus plötzlich eine Tutti Phrase spielt... Überhaupt, was die Ruhe in der Wiedergabe anbelangt, habe ich bisher mit digitalem Equipment noch nichts Besseres gehört.
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