Das Wild Blue Yonder besitzt massive Leiter aus reinem Silber, deren Oberfläche in einen speziellen Prozess geglättet wird. Vom besten Audioquest NF-Kabel, dem WEL Signature unterscheidet sich das Wild Blue Yonder nur durch etwas kleinere Air-Tubes. Das sind Isolierungen, deren Innendurchmesser deutlich größer ist als der Außendurchmesser der Silberleiter, so dass das Metall an nur wenigen Punkten Kontakt zur Isolierung hat und auf dem größten Teil der Oberfläche vom idealen Dielektrikum Luft umgeben wird. Die Schirmung gegenüber hochfrequenten Einstrahlungen übernimmt ein siebenlagiges „Noise Dissipation System‟: Metallfolien und mit Carbon dotierte Synthetik-Schichten sollen die eingestrahlte Energie zu einem großen Teil in Wärme verwandeln und so verhindern, dass die Erde der angeschlossenen Geräte von der vom Schirm abgeleiteten Energie moduliert wird.
Das Lautsprecherkabel wurde auch mit dem „Noise Dissipation System‟ ausgestattet, allerdings gibt Audioquest die Anzahl der verschiedenen Schichten nicht an. Hier ist aber auch schon das Isolationsmaterial der einzelnen Leiter Teil des Systems. So werden die negativen Leiter von Polyethylen mit Carbon-Beimischungen umgeben, während die positiven Leiter von geschäumtem Polyethylen umhüllt werden. Die Leiter des Wild Wood bestehen zu einem Teil aus dem besten von Audioquest verarbeiteten Kupfer und zum anderen aus hochreinem Silber. Bei beiden Metallen wurde auf nahezu perfekte Oberflächen Wert gelegt. Da Audioquest einem jeden Leiter abhängig von seiner Form und seinem Durchmesser ein spezielles Verzerrungsspektrum und damit einen spezifischen Klang zuschreibt, hat man zwar ausschließlich runde Leiter – die sollen die geringsten Verzerrungen produzieren – mit verschiedenen Durchmessern kombiniert, damit sich kein spezifischer Klang ausprägt. Diese Art der Verteilung von leiterimmanenten Verzerrungen nennt Audioquest „Spread-Spectrum Technology‟. Die Leiter mit den unterschiedlichen Stärken werden spiralförmig um einen Kern im inneren des Kabel angeordnet. Dabei liegen die positiven Leiter näher zum Kern. Die negativen Leiter werden dann ebenfalls spiralförmig angeordnet, wobei die positiven Leiter den Kern bilden. Die Drehrichtung der beiden konzentrischen Spiralen ist dabei gegenläufig. Die „Double Counter-Spiral Geometry‟ soll die Interaktion zwischen den positiven und negativen Leitern minimieren und vor allem die Störungen reduzieren, die durch die Magnetfelder, die jeden einzelnen Leiter umgeben, entstehen.
Die Kabel kamen übrigens ungefähr gleichzeitig mit den verschiedenen Firewire-Verbindungen an – ein Thema das ich für aktueller hielt und daher eher bearbeitete. Zudem gab die gewählte Reihenfolge die Möglichkeit, lange vor einem Test in Erfahrung zu bringen, ob die NF- und Lautsprecherkabel noch immer die ganz spezielle Klangprägung besitzen, die diesen amerikanischen Nobelstrippen vor Jahrzehnten anhaftete oder – ganz nach Geschmack – die sie auszeichneten. Frühe Audioquests klangen immer angenehm, im oberen Bassbereich auch mal ein wenig schöner, als der Tonträger hergab. In der passenden Kette konnte diese charmante Flunkerei für den entscheidenden Tick Wärme sorgen und entspanntes Langzeithören erst möglich machen. In der Preisklasse, in der unsere beiden Wilden sich bewegen, erwarte ich aber mehr Ehrlichkeit. Und dass Blue Yonder und Wood diese Anforderung quasi mit Links erfüllen, habe ich schon vor Monaten erfahren dürfen. Für's private Musikhören blieben die Audioquests dann auch ein wenig länger in der Kette. Bei Tests habe ich dann aber auf die vertrauten HMS zurückgegriffen – einfach um mich mit vertrauten Komponenten besser auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
Als nun die Audioquests das Objekt der Betrachtung sind, wechsele ich sie nicht nach und nach gegen die entsprechenden Verbindung von HMS aus, sondern höre sie erst einmal ohne Vergleich zwischen Vor- und Endstufen sowie diesen und den Lautsprechern. Statt wie üblich allein „Heavy Hour‟ von Misha Alperins Night anzuspielen, lade ich alle Stücke dieser Auftragskomposition für das Norwegischen Vosna Jazz Festival in Amarra: Die gesamte Aufnahme fasziniert durch ihre realistisch anmutende Raumabbildung, eine nahezu grenzenlose Dynamik und vielfältige, satte Klangfarben. Dass man sich nicht vollständig in den oft reduzierten Dialogen und der Fülle an Wohlklang verliert, verhindern geradezu dramatische Perkussions-Eruptionen und einige rauhere Töne, vor allem von Anja Lechners Cello. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, habe ich diese Scheibe nur selten, wenn überhaupt jemals so farbstark und energiegeladen gehört.
Einige meiner zum Testen herangezogenen Stück entfalten ihre Wirkung nur ab einer gewissen Lautstärke. Beim oft verwendeten „Heavy Hour‟ kommen die Größe der Bühne, das Stampfen des Perkussionisten darauf und die Macht der Pauken dank der wilden Audioquests nun auch ungemein packend rüber, wenn der Lautstärkeregler des Marconi ein Stückchen weiter rechts steht als sonst bei diesem Song üblich. Das soll aber keinesfalls heißen, dass Wild Blue Yonder und Wild Wood durch Überbetonung der Frequenzgangextreme eine Art Loudness-Effekt bewirkten: Wäre dem so, würde es bei wirklich knackigen Pegeln, auf die ich während des Beschäftigung mit den Kabeln natürlich auch nicht verzichten wollte, des Guten zuviel geworden. Ist es aber nicht.