Eigentlich sind Röhrengeräte unpraktisch, die Röhren haben eine begrenzte Lebensdauer, sie haben eine hohe Verlustleistung, die in Wärme wieder abgeführt werden muss, zudem verändern die Röhren ihre elektrischen Eigenschaften mit zunehmender Betriebsdauer. Dazu kommt dann ein wesentlich höherer Preis, üblicherweise im zweistelligen Eurobereich, im Gegensatz zu den Centbeträgen bei Transistoren. Von Liebhaberpreisen für alte Western Electric 300B oder ähnlichen Schätzchen möchte ich gar nicht erst reden. Woher kommt nun die zunehmende Vorliebe für Triodenverstärker?
Ganz einfach, der Klang wird als natürlich empfunden. Im Allgemeinen führt man dieses Phänomen auf das Verzerrungsmuster der Trioden – in Eintaktschaltung – zurück. Diese produzieren in erster Linie geradzahlige Verzerrungen (K2, K4...), Pentoden und Transistoren ungeradzahlige (K3, K5..). Damit kann man nun eigentlich nicht so wahnsinnig viel anfangen, deshalb versuche ich dies mit Hilfe einer Klaviertastatur zu erklären. Wenn wir Verzerrungen einmal als Töne bezeichnen, die dem Originalsignal fehlen und künstlich hinzugefügt werden, so bedeutet K2 eine Verdoppelung, K3 eine Verdreifachung des Originaltons.
Nehmen wir als Beispiel den Kammerton a’ (440 Hz), so bedeutet K2 a’’ (880Hz), also genau eine Oktave höher. K3 bedeutet 1320 Hz, also eine reine Quint (x2) höher, in diesem Fall das e’’’. Die Frequenz wäre bei einer reinen Stimmung des Instrumentes korrekt, die Quint hätte dabei die anderthalbfache Frequenz des Grundtones. Dummerweise liegt durch die gleichtemperierte Stimmung des Klaviers die Frequenz der Quint etwas tiefer, so dass die K3-Verzerrungen sich mit dem gespielten Ton ständig reiben. Anders ausgedrückt, K3 produziert Töne, die auf keiner Klaviatur existieren. Das Gleiche gilt für K5, nur in verstärktem Maße. Bei K2-Verzerrungen werden immer harmonische Obertöne erzeugt, die ja auch von den Instrumenten selbst produziert werden. Es ist also nicht so, wie immer gerne behauptet wird, Trioden erzeugen Verzerrungen, die den Klang künstlich angenehm erscheinen lassen, sondern sie vermeiden unnatürliche Verzerrungen.
Historisch gesehen waren Röhrenverstärker Anfang des 20. Jahrhunderts die einzigen elektronischen Geräte, mit denen man elektrische Signale linear verstärken konnte. Oder sagen wir einmal halbwegs linear. In den 50/60er Jahren kamen dann die Transistoren auf, die oben genannte Mängel nicht besaßen, billig herzustellen waren und natürlich den Reiz einer neuen Technologie besaßen. Richtig hingehört hatte – oder wollte – damals wahrscheinlich keiner. Kennt eigentlich noch jemand die deutsche HIFI Norm DIN 45500? Ha, ich glaube, mein Rasierapparat erfüllt diese Norm mittlerweile auch; dies nur als Beispiel, über welchen Unfug man sich damals den Kopf zerbrochen hatte.
Die großen Firmen wie RCA und Western Electric in den USA oder Telefunken in Deutschland wollten aufgrund der neuen Technologie schnell ihre Lagerbestände an Röhren räumen und haben dankbare Abnehmer in Japan gefunden. Tja, dumm gelaufen! Wenn jemand heutzutage eine alte Western Electric Röhre sucht, wird er am ehesten noch im Tokyoter Stadtteil Akihabara fündig. Dort werden derartige Röhren teilweise auf 300 Quadratmeter großen Verkaufsflächen angeboten. Sofern man die verschlungenen Pfade zu diesen Räumlichkeiten findet. Und der japanischen Sprache mächtig ist. Nebenbei bermerkt, bei den Preisen, die mittlerweile für diese Schätzchen bezahlt werden, spielen die Flugkosten keine so große Rolle mehr. Weshalb nun der ganze Heckmeck mit diesen NOS ( New Old Stock ) Röhren? Mittlerweile werden Röhren doch wieder in Massen in China und auch im ehemaligen Ostblock produziert.