Diese besondere Qualität der 1,5-Millionen-Euro-Anlage hat nichts Spektakuläres oder Plakatives an sich. Sie erschließt sich auch erst nach einer Zeit recht intensiven Zuhörens. Danach mag man sie allerdings nicht wieder missen. Auch im Sessel in der zweiten Reihe kann man sich an sich an Impulsen und realistischen Einschwingvorgängen erfreuen, jedoch wirkt das gesamte Klangbild ein bisschen weniger knackig als auf dem Platz davor. Aber kein Schatten ohne Licht: Ich empfinde die – imaginäre – Bühne ein Stückchen tiefer, wenn ich in der zweiten Reihe sitze. Grade bei Aufnahmen mit großem Orchester ziehe ich daher die mittlere der drei Sitzgelegenheiten der vorderen vor.
Damit wären wir schon bei der eingangs erwähnten Aufnahme angekommen. Mitte letzten Jahres hatten meine Gattin und ich recht spontan die Gelegenheit bekommen, das Universitätsorchester Regensburg unter der Leitung von Arn Goerke im dortigen AudiMax aufzunehmen. Als wir ein paar Tage vor dem Konzert zusagten, kannten wir weder das Orchester, den Raum noch das Repertoire. Improvisation war angesagt. Da Arn Goerke sein Orchester nicht durch Mikrofone auf der Bühne in seinem Tun behindert sehen wollte, blieb nur eine Einpunkt-Stereo-Aufnahme. Wir bauten also in der achten Reihe Mitte ein Stativ auf, an dem ein AKG 422 comb und ein Neumann SM 69 fet befestigt waren. Beim ersten der beiden Großmembran-Stereo-Mikrofone war für beide Kapseln eine Achter-Charakteristik eingestellt, es arbeitete also in einer Blumlein-Konfiguration. Beim Neumann-Mikro war für eine Kapsel eine Kugel-, für die andere eine Achter-Charakteristik für MS-Stereophonie gewählt. Die Aufnahme erfolgte jeweils auf zwei Kanäle der mit sehr guten Mikrofonverstärkern ausgestatteten Nagra VI mit 192 Kiloherzt und 24 Bit.
Auf dem Programm stand im zweiten Teil des Konzerts Schostakowitschs Symphonie Nr. 11: 100 Musiker – inklusive Dirigent und fünf(!) Schlagwerkern – machten die vier Sätze zu einem beeindruckenden dynamischen Erlebnis. Solche Lautstärkesteigerungen kenne ich von üblichen Tonträgern nicht. Aber dank vorsichtiger Pegeleinstellungen gelang es, den gesamten Dynamikumfang der Darbietung ohne Kompression einzufangen. Gut, das AudioMax ist kein Musikvereinssaal, das Universitätsorchester nicht so perfekt wie die Wiener Philharmoniker und unsere Ein-Punkt-HiRes-Aufnahme kein analoger audiophiler Decca-Klassiker. Aber eine recht klare Tiefenstaffelung, präzise fokussierte Instrumentengruppen und eine lebensechte Dynamik bietet auch unsere Einspielung. Über diese hätte ich aber längst nicht so viele Worte verloren, wenn sie nur für ein paar wenige Hörer verfügbar wäre. Carsten Hicking, einer der Inhaber von audioNEXT, dessen Tochter im Universitätsorchester Kontrabass spielt, hat sich entschlossen, die Aufnahme zur kommenden High End auf CD pressen zu lassen und am Stand als Give Away zu verteilen. Für die Silberscheibe hat Mastering-Ingenieur Christoph Stickel die Files aber sanft nachbearbeitet, damit sie in Sachen Dynamik keine Gefahr für „normale“ Anlagen darstellt.
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