In Krakau trifft sich schon seit Jahren eine Reihe von Hifi- und Musik-Enthusiasten, um gemeinsam bei gepflegten Getränken dem gemeinsamen Hobby zu frönen. Dazu laden sie Hersteller, Vertriebe oder auch Musikproduzenten ein. Diesmal waren es Ayon-Chef Gerhard Hirt sowie meine Gattin und ich für unsere Plattenfirma sommelier du son. Ein Forum findet die Krakow Sonic Society in High Fidelity, dem Magazin des Kollegen Wojciech Pacula, der auch den folgenden Artikel schrieb
Es ist schwer zu sagen, was an Vinyl so besonders ist, dass die Technologie, von der man vor 20 Jahren glaubte, sie würde verschwinden, sehr lebendig ist. Es mag daran liegen, dass die Existenz des Plattenspieler kulturell verankert ist, oder an der Tatsache, dass Vintage gerade sehr angesagt ist. Manche heben das fast schon feierliche Ritual beim Abspielen einer LP hervor, andere verweisen auf den künstlerischen Wert der Cover-Gestaltung, während wieder andere die überlegene Klangqualität in den Vordergrund stellen. Egal, wie wir nun das triumphale Comeback der schwarzen Scheibe interpretieren: Es ist eine Tatsache, dass die Schallplatte wieder eines der wichtigsten Formate für engagierte Audio-Enthusiasten darstellt.
Ist Ihnen bewusst geworden, dass es üblich ist, die Begriffe „Analog-Platte“ und „Analog“ synonym zu verwenden? Der Grund für diese semantische Verschiebung des Begriffs „Analog“ scheint klar: Man wollte eine klare Unterscheidung zwischen digitalen Audiosystemen wie zum Beispiel der CD und Plattenspielern treffen. In den späten 80-ern, als die Dominanz der schwarzen Scheibe nur noch in der Erinnerung existierte, wurde „Analog“ auf diese Bedeutung reduziert. Die Compact Cassette und die CD wurden nie als gleichwertige Quelle betrachtet – ich sage nicht, dass dies wahr ist, sondern gebe nur eine weitverbreitete Meinung wieder. Bandmaschinen wurden nur noch von wirklichen Hardcore-Analog-Fans benutzt.
Ich spreche über den Begriff „Analog“, weil er sich über mehrere Jahrzehnte auf beides bezog: Plattenspieler und Tonbandmaschinen. Letztere wurde in den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts erfunden, erlangte aber erst in den 40-ern ihre jetzige Form mit auf Spulen gewickeltem Magnetband. Interessanterweise enthält der englische Wikipedia-Eintrag zu Bandmaschinen ein Bild eines deutschen Magnetophons aus dem Zweiten Weltkrieg und eines vom ZK-147 des polnischen Herstellers Unitra. Ein interessanter Zufall, dass in der September-Ausgabe von High Fidelity, die wie immer exklusiv polnischen Audio-Produkten gewidmet ist, ein Artikel von Maciej Tulodziecki, Assistenz-Professor an der Fakultät für Automotive- und Konstruktions-Maschinenbau der Warschauer Technischen Hochschule und privat ein Vinyl-Liebhaber und Plattenspieler-Experte, erscheint, in dem er die Geschichte der polnischen Bandmaschinen beschreibt, einschließlich der Aria und der Concert sowie verschiedener Modelle der ZK-Serie.
Um zu Thema zurückzukehren: Aktuell ist der Plattenspieler nur ein Teil dessen, wofür „Analog“ steht. Und darüber hinaus muss man feststellen, dass der Klang der Vinyl-Scheibe nicht ganz an den eines analogen Mastertapes herankommt. Wir haben dies Thema bei Treffen der Krakow Sonic Society diskutiert, als wir eine Studer A807-0.75 VUK gehört haben. Ich versuche dies immer klarzustellen, wenn ich höre, Vinyl sei das beste Musikformat der Welt. Ist es nicht.
In den vergangenen Jahren wurde beim Thema Vinyl am häufigsten die Frage nach dem Sinn oder Unsinn – ganz nach Standpunkt – der Fertigung von LPs von digitalen Aufnahmen diskutiert. Jemand, der sich recht dezidiert dazu äußert und es einen Fehler und eine Irreführung nennt, ist Dirk Sommer. Sie sind ihm schon in meinem Interview begegnet, das in der Serie „The Editors“ veröffentlicht wurde. In diesem Interview lernten wir ihn vorrangig als Audio-Journalisten, langjährigen Chefredakteur des deutschen Magazins image hifi und jetzigen Chef des Online-Magazins hifistatement.net kennen. High Fidelity arbeitet mit letzterem seit nun zwei Jahren zusammen, in dem wir Artikel austauschen.
Allerdings habe ich während unseres Gesprächs, das wir in Krakau im Restaurant Miód i Malina – Honig und Himberre – bei polnischen Bier und regionalen Spezialitäten führten, den Eindruck gewonnen, dass das Betreiben des Magazins nur eine Hälfte von Dirks Jobs ist. Im Fall von Enthusiasten ist „Job“ ein recht relativer Begriff, weil man wohl auch „Leben“ sagen könnte. Die andere Hälfte von Dirks Job ist derzeit etwas, das aus einer Eingebung des Augenblicks, aus reiner Neugier entstanden ist: Das Schallplattenlabel sommelier du son. Ich traf übrigens nicht nur Dirk in besagtem Restaurant, denn er war zusammen mit seiner Gattin Birgit Hammer-Sommer nach Krakau gekommen. Auch wenn man auf den ersten Blick sieht, wie sehr sie sich lieben, beschränkt sich Birgits Rolle keineswegs darauf, Dirk zu begleiten. {Vielleicht sollte ich den polnischen Kollegen für weitere Artikel um ein wenig mehr Diskretion bitten. Der Übersetzer.} In der Tat ist Birgit zu gleichen Teilen am Label beteiligt und während der Aufnahmen übernimmt sie den Job, den man auch in Polen als „Tape Operator“ bezeichnet. Sie kümmert sich darum, dass jederzeit ausreichend Band vor den Tonköpfen ist.