Bevor wir kurz auf die Geschichte von Nagra eingehen, noch ein Wort zur Überschrift: Natürlich werden die Nagra-Geräte wie gewohnt unter dem – man darf wohl mit Fug und Recht sagen – legendären Namen Nagra auf den Markt kommen. Die neu gegründete Firma Audio Technology Switzerland besitzt die Namensrechte für die professionellen Aufnahmegerätschaften ebenso wie die für die High-End-Kompomenten. Für die Kunden ändert sich also rein gar nichts, da Audio Technology Switzerland selbstverständlich auch die Ersatzteilversorgung und den Service für die Nagra-Audio-Produkte übernimmt.
Die Geschichte von Stefan Kudelski ist von Beginn an eine Erfolgsstory. 1951 fertigt der Physikstudent sein erstes tragbares Aufnahmegerät und nennt es Nagra, was auf polnisch so viel heißt wie: Es nimmt auf. Den Bandtransport übernimmt hier ein Federwerk, das per Kurbel zuvor aufgezogen werden muss. Lediglich für die Röhrenaufnahme- und -Wiedergabe-Verstärker wird Energie aus Batterien benötigt. Die Maschine bewährt sich bei Expeditionen von Bergsteigern und Tiefseeforschern und wird bald von der Numero II abgelöst, die sich technisch von ihrem Vorgänger nicht grundlegend unterscheidet, aber schon das so charakteristische, Modulometer genannte Anzeigeninstrument besitzt, dass heutzutage viele Nagra Hifi-Komponenten schmückt. 1957 wird dann das volltransistorisierte und mit elektrischem Bandtransport ausgestattete Modell Nagra III vorgestellt. Wegen der Olympischen Sommerspiele in Rom im Jahre 1960 darf Stefan Kudelski sich über einen Großauftrag des italienischen RAI freuen: Während von den ersten Modellen gerade einmal um die hundert Exemplare abgesetzt werden konnten, waren es bei der Dreier insgesamt schon über 12000 Stück. Kein Wunder, denn eine Nagra garantiert den Rundfunkanstalten und den Studios bei der Aufzeichnung des Filmtons höchste Audio-Qualität.
Im Jahr 1960 beweist Stefan Kudelski dann, dass hochwertige Aufnahmegeräte noch deutlich kleiner sein können als seine bisherigen: Er entwickelt den Prototyp der Nagra SN, die als Geheimdienst- oder Spionage-Maschine berühmt wird. Später gibt es dann sogar eine Stereoversion diese feinmechanischen Meisterwerks: die SNST. 1968 beginnt dann die Ära der IV-er Serie, die drei Jahre später ihren Zenit erreicht: mit der Stereoversion, der IV-S. 1984 markiert die IV-STC mit SMPTE-Timecode für die Synchronisation mit Filmkameras einen weiteren technischen Höhepunkt. Inzwischen wurde auch das Problem der zu geringen Spielzeit beispielsweise für Konzertmitschnitte gelöst: Der QGB-Adapter mit zwei Wickelmotoren, der einfach an die Vierer angedockt werden kann, erlaubt den Einsatz von großen Spulen oder Bandtellern. In den ersten 30 Jahren der Firmengeschichte, in die noch die Naga E, die IS und so gerade eben auch noch das analoge Studiotonbandgerät T-Audio fallen, ist aus dem Ein-Mann-Betrieb ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern geworden, die pro Jahr über 1000 Maschinen fertigen.
Der Anbruch des digitalen Zeitalters überrascht Stefan Kudelski natürlich nicht, wie die Nagra V mit ihrer Festplatte und die digitalen Vierspur-Bandmaschinen D und DII beweisen. Die Veränderungen in der Audio-Industrie veranlassen den Firmengründer aber dazu, sich auch auf anderen Geschäftsfeldern umzutun. So bringt er Nagra an die Börse und gründet 1989 Nagravision. Unter diesem Namen werden anfangs Decoder für das Bezahlfernsehen entwickelt und – noch wichtiger – verkauft: In den ersten beiden Jahren sollen über eine Million Decoder umgesetzt worden sein. Weiter geht es mit Sicherheitstechnik und Zugangssystemen für Unternehmen, Fußballstadien, Ausstellungs- und Konzerthallen wie zum Beispiel beim Montreux Jazz Festival. Später kommen dann auch noch Chipkartensysteme für das Gesundheitswesen hinzu. Um eine lange Erfolgsgeschichte kurz zu machen: Bald darauf ist die Kudelski Group Weltmarktführer beim digitalen Pay-TV und beschäftigt weltweit weit mehr als tausend Mitarbeiter.