HIGH END 2022: Messerundgang mit Finn Corvin Gallowsky – Teil 2

26.05.2022 // Finn Corvin Gallowsky

 

Auch Audio Physic stellt Lautsprecher in ähnlichen Preissphären vor. Die gewaltigen Medeos sind auf 10 Paare weltweit limitiert. Im Mitteltöner wird eine dünne Plastikmembran, gestützt von einem 3D-gedruckten, organisch wirkenden Netz, eingesetzt.

 

Deutlich erschwinglicher geht es glücklicherweise bei Innuos zu. Im September kommen der neue Netzwerkspieler PULSEmini (1.000 Euro), der normale PULSE (2.600 Euro) und der PULSAR (5.500 Euro), für den auf der HIGH END noch kein Anschauungsmodell verfügbar war.

 

Auch B.audio möchte an der Preisschraube drehen. Der B.audio Streamer/DAC/Preamp/Server B.dpr EX kostet zwar 16.900 Euro, eine erschwinglichere Serie ist allerdings in Planung. Cédric und Sébastien Bermann möchten den deutschen Markt weiter erschließen, dabei aber niemals aus den Augen verlieren, dass B.audio ein kleines, aber feines Familienunternehmen ist.

 

Boaacoustic aus Berlin hat jetzt auch reine Silberkabel im Portfolio. Das Argentum SILVER.xlr-15 kostet pro Paar und Meter 2.200 Euro, das SILVER.rca 1.800 Euro, das SILVER.power-16 1.700 Euro für einen Meter und das SILVER.sonic-16 Lautsprecherkabel 4.000 Euro je Paar in zwei Meter Länge. Das Digital Xeno-CB USB-Kabel, das „nur“ versilbert ist, gibt es jetzt auch mit USB-C auf USB-B-Stecker. Es kostet pro Stück 285 Euro bei 0,5 Meter Länge.

 

Der Hersteller Viborg aus China erarbeitet sich langsam einen Namen mit hochwertig verarbeiteten, aber dennoch preiswerten Steckern und Buchsen.

 

Die World of Headphone area ist an den ersten zwei Fachbesuchertage eher ruhig. Am Samstag wird es sofort schlagartig voll und bleibt bis Sonntagabend durchgehend gut besucht. Dementsprechend wird die World of Headphones sicher auch von der HIGH END Society als Erfolg gewertet werden. Die Word of Headphones wird überwiegend vom Headphone.shop und Astell & Kern dominiert. Feliks-Audio aus Polen zeigt eindrucksvolle Röhren-Kopfhörerverstärker. Ebenfalls aus Polen kommen die In-Ears von Custom Art. Der italienische Kopfhörerhersteller Spirit Torino ist auch mit von der Partie. Ebenso geben sich EarMen aus Chicago und ein neuer Hersteller, der Kopfhörer für Metalheads baut, die Ehre.

 

Zwischen hochwertigen und etablierten Marken wie RME, Campfire Audio oder Inear tummeln sich außerdem, zumeist im unteren Preissegment, viele chinesische Firmen. Die meisten dieser Firmen wie Topping, SMSL oder Moondrop, die inzwischen zu etablierten Größen des chinesischen HiFi-Sektors gehören, werden von einem sehr jungen und freundlichen Team bei Leiyin Audio präsentiert. Hier gibt es zwar viel zu hören und sehen, aber eher in einer etwas chaotischen, scheinbar unorganisierten Manier. Für viele chinesische Hersteller scheint Masse statt Klasse die Devise zu sein, die Produktzyklen sind meist recht kurz und die Produktvielfalt verwirrend. Dafür findet jeder mit ein bisschen Suchen unter Umständen aber auch genau das eine passende Gerät. Für den Hersteller Aune sortiert ein deutscher Vertrieb das Chaos.

 

RME zeigen ihren ADI-2 DAC Pro FS mit AKM-Chip und den ADI-2 DAC, der aufgrund der AKM-Chipknappheit auf ESS-Chip entwickelt wurde. Inear ist nach wie vor Stolz auf den großartigen Prophile 8, den es nicht mehr nur als Universal, sondern auch angepassten IEM gibt. Inear produziert außerdem die überwiegend limitierte Zeitgeist-Serie für den Headphone.shop.

 

Campfire Audio präsentiert den Trifecta. Was passiert, wenn man gleich drei der aufwendigsten dynamischen Treiber ohne jegliches Crossover in einen IEM packt, kann man hier hören. Mein erster Gedanke ist: Das kann eigentlich gar nicht funktionieren. Meine Ohren belehren mich eines Besseren. Klangfarbenpracht und lautsprecherverdächtiger Schub zeichnen den auf 333 Stück limitierten IEM aus. Kenneth Ball, Gründer und Präsident von Campfire Audio, erklärt mir, dass sie selbst etwas überrascht waren, wie gut die verrückte Idee funktioniert hat. Fasziniert hat sie vor allem, wie sehr sich der Frequenzverlauf aller nachgemessenen Trifecta gleicht. Bisher soll ein Trifecta 3.375 Dollar kosten. Auf einen Preis von 3.333 Euro nach Umrechnungskurs und Mehrwertsteuer zu kommen, wäre passend, aber leider rechnerisch unmöglich. In Europa wird der Trifecta wohl deutlich teurer werden.

 

Warwick Acoustics präsentieren ihren Ausnahme-Elektrostaten APERIO in einer auf 50 Exemplare limitierten Black-Edition. Auch wenn 36.000 Euro nicht unbedingt Ihre Preisklasse ist, hören Sie sich den APERIO doch auf der nächsten Messe mal an – eine Erfahrung, die es in jedem Fall wert ist, gemacht zu werden.

 

Bei Audiodomain/AudioNEXT sind ebenfalls eine ganze Menge spannender Marken versammelt. Angefangen bei den Netzwerkplayern und All-In-One-Lösungen von HiFi Rose, deren schlichtes, letztendlich aus einem riesigen Display bestehendes Design für mich zu den modernsten und funktionalsten überhaupt zählt. Zumindest auf den ersten Blick. Ob der Eindruck im Alltag bestehen bleibt, kann ich bald in einem Test des Rose RS250 (2.200 Euro) feststellen. Das mutige Design des ersten Vollverstärkers von Rose, dem RA180 (6.500 Euro) gefällt mir ebenfalls unglaublich gut. Das Markenportfolio von audiodomain erstreckt sich außerdem über mobiles Audio, beispielsweise von Lotoo bis hin zu Kopfhörern von Dan Clark. Dass der geschlossene Kopfhörer Dan Clark Audio Stealth (4.100 Euro) einer der besten geschlossenen Kopfhörer überhaupt ist, hat Dirk Sommer bereits in seinem Test festgestellt. Gleichzeitig hat er ihm einen hohen Anspruch an den Verstärker attestiert. Gemeinsam mit dem vorgestellten Zähl HM1 Kopfhörerverstärker spielt der Stealth absolut faszinierend und ungebremst. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn mit Michael Zähl durfte sich ein absoluter Analogfachmann an einem aus der Pro-Audio-Welt entsprungenen Class-A-Kopfhörerverstärker austoben. Wahlweise kann ein „Servo“-Modus zugeschaltet werden. Der Amp läuft dann nach wie vor im Class-A-Design, allerdings mit Gegenkopplung. Der HM1 mit einem Preis von 8.000 Euro ist aufgrund der nur 50 in Deutschland gefertigten Exemplare pro Jahr hochexklusiv. Er verfügt über zwei Eingänge mit umschaltbaren symmetrischen und unsymmetrischen Anschlüssen. Beide Eingänge sind mit jeweils einem Lautstärkeregler auf der Front genau einzupegeln. Dies prädestiniert den HM1 als Vergleichswerkzeug für verschiedene Quellgeräte, Mischungen und Ähnliches. Die Shelving-Filter für Tiefen und Höhen und die Möglichkeit, Signale auch in Mono oder leicht größerer Betonung der Seiteninformation abzuhören, lassen auf seine Tonstudiogene schließen. Ein geregelter Line Out steht ebenfalls zur Verfügung. Ein Traum von Kopfhörerverstärker, dessen Preis zwar hoch aber gerechtfertigt ist. Mit dem kleinen Dongle-DAC Lotoo PAW S2 (300 Euro), dem Dan Clark Audio AEON 2 NOIRE (1.000 Euro) und einem Portento Kopfhörerkabel (222Euro) zum Gesamtpreis von 1.522 Euro liefert Audiodomain einen Beitrag zur Sounds Clever Aktion. Ein SPL Phonitor XE, der genauso wie der Zähl HM1 Studiogene besitzt und den Stealth ebenfalls gut im Griff hat, ist mit 2.250 Euro ungleich erschwinglicher.

 

Im Kopfhörerbereich ist das Highlight für mich eindeutig der Bändchen-Kopfhörer RAAL-requisite SR1a nach dem von RAAL Earfield getauften Prinzip. Das Bändchen sitzt eher vor als auf den Ohren und stellt für den Bändchentreiber so eine vollkommen andere Arbeitsumgebung her. Beim Design scheiden sich sicher die Geister, für mich persönlich gehört der SR1a zu den schönsten Kopfhörern überhaupt, sofern man bei seinem industriellen Carbon-Look überhaupt von schön sprechen kann. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Hörspaß mit einem Kopfhörer hatte. Unglaubliche viele Details, Luftigkeit, aber auch eine ungeahnte Direktheit und Punch vereinen sich zum ultimativen Kopfhörererlebnis. Der einzige Nachteil ist das vollkommen offene Konzept des SR1a. Damit das Bändchen adäquat angetrieben wird, benötigt man eine Art Transformatorbox, die an jeden (Kopfhörer-)Verstärker angeschlossen werden kann. Alex Radisavljevic empfiehlt mir einen Kopfhörerverstärker mit mindestens vier bis sechs Watt, gerne auch mehr Leistung. Zusätzlich benötigt man zwei kleine XLR- oder RCA-Adapter, die vor dem genutzten Verstärker in den Kabelweg geklemmt werden müssen, um den Frequenzgang für den SR1a passend zu machen. Wir sprechen hier von einer moderaten Anpassung mittels eines einzigen Filters. Mit ihm fällt der Frequenzgang von 2.000 bis 200 Hertz um 4,5 Dezibel. Samt Trafobox und einem Koffer kostet der SR1a 3.900 Euro. Alternativ bietet RAAL-requisite auch einen eigens für den Bändchen-Kopfhörer entwickelten Verstärker, in diesem Fall kann man natürlich auf die Trafobox und Entzerrung verzichten. Es verwundert mich nicht, dass der Kopfhörer von vielen Tonschaffenden verwendet wird.

 

Aufgrund der überwältigenden Masse an neuen Produkten auf der diesjährigen HIGH END, sind detaillierte Kopfhörer- und In-Ear-Betrachtungen etwas zu kurz gekommen. Dies sollte sich mit meinem Besuch der CanJam London im Juli jedoch relativieren. Bis dahin zehre ich von der durch die HIGH END neu beflügelte HiFi-Leidenschaft. Ich hoffe es geht Ihnen ähnlich.


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