CanJam 2018: Messerundgang mit Finn Corvin Gallowsky – Teil 2

30.05.2018 // Finn Corvin Gallowsky

Ein besonderes Highlight, ebenfalls direkt auf der High End, hätte ich ohne den Hinweis meines Chefredakteurs gänzlich übersehen. Auf dem Stand von Fidata stellt Norisuke Iwahashi mir den RE · LEAF E1R Kopfhörerverstärker vor, den er im Reisekoffer zur Messe geschleppt hat. Aus einem einzigen Alublock gefräst und poliert macht er alleine optisch einen unheimlich guten Eindruck, die inneren Werte stehen dem in nichts nach. Üblicherweise wird ein Audiosignal über Amplitudenänderung der Spannung definiert, der E1R hingegen wandelt die Spannungsänderung äquivalent in Stromstärkenveränderungen um. Somit umgeht er verschiedene auftretende Nachteile von spannungsangetriebenen Kopfhörerverstärkern, unter anderem wird das Signal nicht mehr durch Spannungsabfall im Kabel beeinflusst und ein Schalter zur Anpassung an verschiedene Kopfhörer-Impedanzen fällt weg. Auf der Website von RE · LEAF findet sich eine umfangreiche Erklärung, für diejenigen die gerne ins Detail gehen möchten. Des Weiteren sind beide Kanäle getrennt auf der Platine untergebracht und die Stromversorgung für beide Kanäle, DAC und Amps sind unabhängig voneinander realisiert. Das Gesamtkonzept geht auf, der Klang des angeschlossenen, ohnehin als Referenz geltenden, Sennheiser HD800 ist phänomenal. Unglücklicherweise beträgt die Preisempfehlung des Herstellers 58.000 US-Dollar. Somit wird es für mich mit dem beeindruckenden Kopfhörerverstärker erst mal nichts werden.

Bevor ich zur CanJam zurückkehre teste ich noch die Kopfhörermodelle von Focal. Der Clear für 1.500 Euro gefällt mir besser als das Einstiegsmodell Elear für 1.000 Euro, der nochmals besser durchzeichnende Utopia kostet mit 4.000 Euro gleich ein Vielfaches.

 

Zurück auf der CanJam: Von ambient acoustics hat man auf dem deutschen Markt bisher noch nicht viel gehört. Die Produkte des ukrainischen Unternehmens sind dennoch durchaus interessant. Der AM7 LAM-U verfügt über sieben Treiber auf fünf Wegen und bietet acht verschiedene Abstimmungen in einem Gehäuse. Die tiefen Frequenzen können um null, sechs, zehn und vierzehn Dezibel verstärkt werden, die Mitten um null oder fünf Dezibel und für die Höhen stehen verschiedene Filter zur Verfügung. Diese Flexibilität findet man selten. Mir persönlich hat die Einstellung mit lediglich angehobenen Mitten am besten gefallen, der Gewinn an Stimmpräsenz war ausschlaggebend. Für die universelle Version werden etwa 920 Euro und für eine angepasste Variante 1.000 Euro fällig. Der Prototyp AM16 MAD-U in Vierwegekonfiguration mit 16 Treibern hat mir nicht wirklich zugesagt. Stimmen stehen zu sehr im Vordergrund und die Instrumente rücken viel zu weit nach hinten. Der riesige AM24 MAD-U Prototyp, mit vierundzwanzig Treibern auf fünf Wegen ist wirklich ein echter Brocken und wird als angepasster Hörer in die wenigsten Gehörgänge passen. Er klingt zwar sehr gut, aber einen wirklichen Mehrwert zum 7er stelle ich nicht fest. Schlussendlich ist es ja auch nur ein Prototyp und soll wohl eher eine eindrucksvolle Zahl liefern, als echte Innovation, denn die findet man bereits in ausreichender Form im AM7 LAM.

 

Das Flaggschiff Andromeda, der hippen Marke Campfire Audio beherbergt fünf BA-Treiber in einem Alugehäuse. In Portland entworfen und in Handarbeit gefertigt ist es ein ideales Beispiel dafür, dass guter Sound nicht unbedingt viele Treiber benötigt. Besonders hervorzuheben ist neben der angenehm runden Abstimmung das sehr differenzierte Stereobild. Instrumente werden sehr gut und sehr direkt voneinander getrennt, ohne dass dies der Homogenität schaden würde. In der Bühnentiefe geschieht dies zwar etwas weniger komplex, dadurch lässt sich das Klangbild jedoch sehr gut beurteilen. Für 1.269 Euro wechselt der Andromeda seinen Besitzer. Ebenfalls ausgestellt wird der neue auf einem dynamischen Wandler basierende Atlas, der für 1.399 Euro zu haben ist. Sein kleiner Bruder Comet kostet lediglich 199 Euro. Der letzte Neue in der Lagerfeuerrunde ist der mit einer mit Beryllium beschichtet Membran als dynamischer Wandler agierende Cascade für 899 Euro. Ein portabler geschlossener Kopfhörer mit bester Verarbeitung.

 

Die gemütliche Ansammlung von Sofas in einer etwas abgelegen Ecke der CanJam ist mir schon am dem ersten Tag aufgefallen, es dauert trotzdem bis zum letzten Messetag, bevor ich hier mal vorbeischaue. Wäre ich doch nur früher hier gelandet, denn was mich klanglich erwartet ist höchster Güte. In absoluter Wohlfühlatmosphäre präsentiert Sonoma ihr Model One. Den Kopfhörer nach dem elektrostatischen Prinzip gibt es nur im Komplettpaket mit einem passenden Vorverstärker mit fest verbautem DAC. Die Abstimmung des Kopfhörers ist schlichtweg perfekt, es gibt keinen Frequenzbereich, der mir in irgendeiner Weise auffällt, es herrscht einfach nur harmonische Homogenität. Eingehüllt von der exzeptionellen Räumlichkeit des Model Ones genieße ich meine letzten Minuten auf der CanJam.

 

Bereits lange vor diesen Erlebnissen habe ich festgestellt, dass ein Paar In-Ears einfach nicht genug sind. Zu verschieden sind die jeweiligen Stärken und Einsatzbereiche. So stehen bereits kurz nach der Messe zwei weitere Hörer auf meiner Wunschliste. Die gute Nachricht ist, dass ihr Platzbedürfnis deutlich geringer als das von Lautsprechern ausfällt und somit mehreren Hörern, vom Kaufpreis mal angesehen, nichts im Wege steht. Die schlechte Nachricht ist, dass In-Ears mindestens genauso süchtig machen wie Lautsprecher. Meinem Kopfhörerideal bin ich durch die gesammelten Hörerfahrungen auf der CanJam bedeutend näher gekommen, dennoch in diesem Bereich nach wie vor unentschlossener, welchen Kopfhörer ich zu meinem Dauerbegleiter auserwählen soll. Schließlich ist ein offener Hörer einfach nicht für unterwegs geeignet und für zu Hause habe ich ja schon eine recht anständige Stereokette nebst einer Auswahl an In-Ears. Vielleicht hat mein Bericht Ihre Entscheidungsfindung auch vorangetrieben oder neue interessante Höreindrücke geliefert. Ich hoffe ich konnte Ihnen einen recht umfassenden Einblick in die CanJam mit kleinen Ausflügen auf die High-End und portables Audio präsentieren, obwohl ich es nicht geschafft habe, wirklich jeden vertretenen Hersteller aus diesem Bereich zu besuchen. Die vielseitige, etwas ruhigere CanJam hat mich in ihren Bann gezogen und ihren nächsten Termin werde ich definitiv wieder besuchen. Vielleicht sieht man sich ja dort.


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