CanJam 2018: Messerundgang mit Finn Corvin Gallowsky – Teil 1

28.05.2018 // Finn Corvin Gallowsky

 

Den 16. August 2018 sollten sich alle Liebhaber von angepassten In-Ears in ihren Kalender eintragen. Ab diesem Tag wird rhines neuer Hörer voraussichtlich erhältlich sein. Er ist ein absolutes Novum in vielerlei Hinsicht. Angefangen hat die Konstruktion dieses Hörers unter dem Arbeitstitel rhines 4, da er ursprünglich nur auf vier Treiber setzte. Entgegen der vorherigen In-Ears aus der rhines-Familie hatte Firmengründer und deutscher CIEM-Pionier Felix Reinsch kein erklärtes Ziel bei der Entwicklung. Der Hörer sollte nicht speziell darauf zugeschnitten werden, als Monitoringwerkzeug für bestimmte Instrumentengruppen zu dienen. Vielmehr ging es darum einfach mal auszuloten, was soundmäßig machbar ist. Oder besser gesagt technisch notwendig, um einen ausgewogenen, feinauflösenden In-Ear der Referenzklasse zu bauen. Nach ausgiebigem Basteln, Testen, Hören, Messen und Abstimmen finden sich im rhines 4 jedoch acht Treiber, in Vierwegekonfiguration, wieder. Jeweils ein Doppeltreiber ist dabei zuständig für tiefe, mittlere, hohe und besonders hohe Frequenzen. Deshalb tragen die dezenten Werbebanner den achten Buchstaben des griechischen Alphabets. Während alle Hörer aus der Stage-Serie auf einen bestimmten Basstreiber mit enorm viel Headroom setzen, damit beim Monitoring auf der Bühne auch bei hohem Lautstärken keine Verzerrungen auftreten, beherbergt der neue Achter erstmalig einen anderen Basstreiber und richtet sich damit klar an die Hi-Fi-Zielgruppe. Außerdem hat Felix die Abstimmung des Hörers vollendet, ohne dass sein Team viel gegengehört hat. Als er seinen Mitstreitern das Endprodukt zum Testhören vorlegte muss es ihnen ähnlich gegangen sein wie mir. Als ich die ersten Töne über den blauen Achter höre, überkommt mich ein Dauergrinsen und die Gewissheit, dass ich gerade einen der erstklassigsten CIEMs überhaupt höre. Es stellt sich das seltene Gefühl ein, endlich das gefunden zu haben, wonach man immer gesucht hat. Wie alle anderen rhines-Maßanfertigungen auch wird „der Neue“ wahrscheinlich mit dem üblichen Zubehör in einem nahezu unzerstörbaren, professionellen Peli-Case ausgeliefert und zweifelsohne mit derselben Leidenschaft und Akribie produziert. Da er preislich wohl über dem Stage 7 angesiedelt sein wird, fange ich schon mal an zu sparen und setze einen weiteren In-Ear auf meine Wunschliste.

 

Am Stand von KS Distribution erwartet mich eine Überraschung, aber davon ahne ich noch nichts, während ich mir einen kurzen Überblick über das Portfolio von Westone geben lasse. Grundlegend werden drei verschiedene Produktreihen an universellen In-Ears angeboten. Die AM-Pro-Reihe, die sich ausdrücklich an Bühnenmusiker richtet, ist nicht gänzlich geschlossen. Somit isolieren die Hörer nicht vollständig akustisch von der Außenwelt. Auf der Bühne kann das Sinn machen, vor allem für Sänger, die ihre eigene Stimme unter Umständen wieder natürlicher Hören, als mit vollkommen isolierenden Varianten. Für die Anwendung im Hi-Fi-Bereich ergibt sich aus dieser Bauform meiner Meinung nach kein Vorteil, zumal der durch die Öffnung unvermeidliche Bassabfall schwierig wieder in den Griff zu bekommen ist, auch wenn Westone dem mit seiner SLED-Technologie entgegensteuern möchte. Sollte man sich dennoch für einen AM Pro entscheiden, hat man die Wahl zwischen einem, zwei oder drei BA-Treibern. Ebenfalls für den Bühnenalltag konzipiert ist die UM-Pro-Reihe, die mit einem, zwei, drei oder fünf Treibern von 160 bis 690 Euro erhältlich ist. In der W-Serie hingegen hat man die Wahl zwischen einem, zwei, drei, vier, sechs oder acht Treibern und muss dementsprechend zwischen 200 und 1.580 Euro auf die Theke legen. Die Abstimmung der Ws soll dem Musikliebhaber mehr entgegen kommen als die der UM Pros. Man sollte aber mindestens in zwei Wege investieren, um wirklich etwas geboten zu bekommen. Am oberen Ende der Preisskala ist es meiner Meinung nach sinnvoll, gleich über eine Maßanfertigung, beispielsweise aus der Westone ES-Reihe nachzudenken. Ebenso wie bei universell passenden In-Ears gibt es zwar auch bei angepassten In-Ears verschiedene Vor- und Nachteile. Aber wenn man ohnehin über 1.000 Euro ausgeben möchte, sollte diese Option nicht außen vor gelassen werden. Westone ist seit Ewigkeiten im Geschäft, und was es hier zu hören gibt, ist über jeden Zweifel erhaben, dennoch finde ich kein Modell, das mir besser gefällt als meine aktuellen Favoriten. Aber da Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind, finden Sie eventuell genau hier, was Sie suchen. Nach der Westone-Hörsession empfiehlt mir der Kollege vom Vertrieb, doch mal in die auf einem einzigen Balanced-Armature-Treiber pro Seite basierenden In-Ears von Etymotic reinzuhören. Zuerst bin ich skeptisch, die meisten Hörer mit nur einem einzigen BA-Treiber klingen meiner Erfahrung nach meist eher kaputt als wirklich gut. Aufgrund meiner eher neutralen und weniger bassbetonten Hörgewohnheiten wird mir ein ER4SR empfohlen, wobei SR für Studio Reference steht. Um es kurz zu machen, dieser universelle In-Ear ist eine kleine Sensation und eine der größten Überraschungen der gesamten CanJam. Etymotic zeigt, was durch intensive Entwicklungsarbeit und genaueste Abstimmung erreicht werden kann. Der linke und rechte Treiber werden mit einer Toleranz von nur einem Dezibel aufeinander abgestimmt, mit jedem erworbenem Hörer kommt ein unterschriebenes Messdiagramm der Kanalabstimmung. Der Hörer erklingt scheinbar vollkommen verfärbungsfrei, entspannt und für einen single-BA unglaublich räumlich und hochauflösend, so dass er in weniger als einer Minute Hörzeit zu einem meiner absoluten Lieblings-In-Ears avanciert. Wer etwas mehr Bass bei ansonsten gleicher Abstimmung bevorzugt, sollte sich den ER4XR (Extended Response) anhören. Beide kosten 400 Euro und kommen mit umfangreichem Zubehör. Wie alle Etymotic-Hörer erreichen sie mit den Tannenbäumchenaufsätzen höchste Dämmwerte von bis zu 42 Dezibel. Zum Abschluss noch ein Tipp an alle Besitzer von In-Ears mit MMCX-Konnektoren: Bei etwas Experimentierfreudigkeit kann man mit dem Westone Bluetooth-Kabel theoretisch alle MMCX-basierten Hörer mit aptX nutzen, sofern das Abspielgerät dies unterstützt.

 

In zwei Tagen geht’s weiter...


  • CanJam 2018: Messerundgang mit Finn Corvin Gallowsky – Teil 2

    Heute folgt der zweite und letzte Teil meines CanJam-Berichts, unter anderem mit Neuigkeiten von Astell&Kern, FiiO und Vision Ears und einem außergewöhnlichen Kopfhörerverstärker. Wie bereits angekündigt mache ich diesmal ein paar Abstecher zur High End. Ohne große Umschweife stürze ich mich direkt wieder ins Geschehen und wünsche viel Lesespaß! Die deutsche Firma InEar stellt sowohl angepasste als auch universelle In-Ears her – Überraschung. Am Stand auf der CanJam höre ich den StageDriver 5, der wie…
    30.05.2018
  • HIGH END 2018: Messerundgang mit Peter Banholzer – Teil 2

    Nach den offiziellen Zahlen der High End Society verzeichnete die diesjährige High End 530 Aussteller aus 41 Ländern und insgesamt 19.889 Besucher. Aus 78 Ländern kamen 7.557 Fachbesucher. Damit erfuhr die Besucherzahl einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Womöglich hatte das schon fast hochsommerliche Wetter über alle vier Messetage so manchen potenziellen Besucher eher zu einem Ausflug ins Grüne als zu einem Messebesuch bewegt. Doch wer sich für einen Ausflug oder einen Besuch im Biergarten…
    25.05.2018
  • HIGH END 2018: Messerundgang mit Wolfgang Kemper – Teil 3

    Heute ist Samstag. Dies bedeutet, es ist schon der letzte Tag der hifideluxe im Marriott-Hotel. Weil dort die Ausstellung erst mittags öffnet, habe ich noch Zeit für ein besonders spannendes Unternehmen auf der High End. Gemeint ist der Vortrag über einen technisch gänzlich neuartiges Lautsprecher-Prinzip. Dies wird vom Entwickler Arthur Marker heute in deutscher Sprache gehalten, obwohl er Brite ist und in seine Unternehmen Arya Audio Lab in London an der Innovation arbeitet. Von Arya…
    24.05.2018

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.