Falls Sie noch nie auf der High End Messe in München waren, kann ich Ihnen nur eines sagen: sie ist groß. Sehr groß. Ich gebe zu, ich habe mich einige Male zwischen Halle 1,2,3 und 4 verlaufen. Das allerdings zusammen mit Jürgen Saile, was natürlich viel Spaß gemacht hat.
Im Raum von Kondo und Kaiser beeindrucken mich die futuristisch anmutenden Akustikelemente an den Wänden. Besonders die schwarzen Elemente sehen aus, als wären Lavabrocken von Hawaii nach München geschifft, und die Vulkanlandschaft dann kunstfertig an die Wand gehängt worden. Macht definitiv mehr her als Eierkartons! Rainer Weber erklärt mir die technischen Details und die Funktionsweise der ausgestellten Akustikelemente, und in dem Moment klingt das alles auch total logisch. Jetzt befürchte ich allerdings, dass ich das nicht mehr korrekt wiedergeben kann. Was mir geblieben ist: Der Sound-Ingenieur tüftelt an der Entwicklung dieser Elemente „so nebenher“, wie er mit einem Augenzwinkern sagt, für „Ferien bleibt dann keine Zeit“.
Auch im Raum von Sonitus acoustics sind eine Vielzahl von Akustikelementen aufgebaut, die mit einer Auswahl von verschiedenen Hölzern wie Walnuss, Eiche und Pappel etwas Heimeliges ausstrahlen. Die Oberflächenstruktur erinnert an die alten Pacman Computerspiele. Bei einem anderen Modell ist die Skyline von Batmans Gotham City aus massiver Buche nachgebildet, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, wie schön sich diese Elemente in meiner Wohnung machen würden, und ich meine jetzt nicht nur akustisch, sondern auch optisch, wie moderne Kunstwerke eben.
Futuristisch mutet auch das unterhaltsame Gadget der slowenischen Firma Mag-Lev audio an: ein Plattenspieler mit diamagnetisch schwebendem turntable. Mich hat das Teil sofort an den kleinen Levitron Kreisel erinnert, der in den 90er Jahren ein totaler Renner war, und den ich persönlich nie zum Schweben bringen konnte, auch nach x Versuchen nicht. Da macht es einem dieser Plattenspieler schon einfacher, da klappt alles gleich beim ersten Versuch. Sollte es zumindest.
Zurück aus der Zukunft geht es nun mit einem weiten Sprung in die Vergangenheit, an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Irgendwie hatte ich auf der High End nicht erwartet, einer Sammlung gut erhaltener Schellackplatten über den Weg zu laufen. Hatten Sie schon mal eine über 100 Jahre alte Schellackplatte in Händen? Ja? Dann haben Sie mir was voraus. So ein Ding von 1907 mit einer Aufnahme des legendären Caruso war für mich etwas ganz Neues und ich war dementsprechend baff, als Frank W. im Raum von Elrog seine Schellackplatten auspackt und auflegt. Mit 78 Umdrehungen saust die Scheibe auf dem Plattenteller, da wird einem richtig schwindlig beim Zuschauen. Frank erklärt, dass bei Schellackplatten die Optik nicht unbedingt etwas über die Qualität der Platte aussagt und zeigt mir eine mit Sekundenkleber(!) geflickte Platte, die nach wie vor sehr gut klingt. Ich nehme mal schwer an, dass ich bei der nächsten Reparatur mit Sekundenkleber an Enrico Caruso denken werde.
Den Auftakt mit einem Alphornkonzert am Eröffnungstag der Messe habe ich leider verpasst, dafür aber strahlt mir bei swisscables geballte Schweizerische Freundlichkeit entgegen. Barbara und Anton Suter aus Entlebuch haben ein neues Baby, das Diamond power cord. Mich beeindruckt, dass die 47 Komponenten alle und ausschließlich in der Schweiz handgefertigt werden, was für jedes einzelne Kabel mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Gut Ding will Weile haben. Auch in der Produktion der kleinen Kabelstützen und des runden Resonanzpucks „Unique“ wird präzise gearbeitet. Ein eher seltenes Schweizerholz – welches genau ist Firmengeheimnis –, bildet den Korpus, in den schwarzes Ebenholz und Rosenholz für ein perfektes Ergebnis eingesetzt werden.
Gegen Schluss, nach gefühlten 20 Kilometern Marsch durch alle Hallen, schauen wir noch bei Shure vorbei. Mir ist auf der Messe aufgefallen, dass generell viele Kopfhörer angeboten werden, aber keiner der Kopfhörerstände macht so viel her wie der von Shure. Modern, mit viel Holz und hell eingerichtet, wirkt dieser Messestand sehr einladend. Auch die mit dem Shure-Logo verzierten knallgrünen Granny Smith Äpfel machen neugierig. Was haben die denn mit Kopfhörern zu tun? Nichts, wie sich bei der Nachfrage beim jungen Team herausstellt, reiner Dekozweck. Bei den Kopfhörern klingt selbst das Einsteigermodell tadellos, aber nachdem ich alle acht Modelle getestet habe, bleibe ich an den offenen Kopfhörern hängen, und zwar nicht nur vom Klang, sondern auch vom luftig leichten Tragekomfort her. Da klingt selbst der deutsche Hip-Hop gut, den ich mir sonst freiwillig nicht anhören würde.
Keiko Saile hat zehn Jahre als Fotografin in der Schweiz und in Deutschland gearbeitet, unter anderem für die Firma Supermagnete. Nun lebt sie in Kona, Hawaii, wo sie zusammen mit ihrem Mann James ein Airbnb und eine Kaffeefarm managed. Da der diesjährige Familienbesuch in München zufällig mit der High End zusammenfiel, wollte sie sich das Event nicht entgehen lassen.