Heute steht ein Abstecher zur hifideluxe an, auf der in diesem Jahr wohl weniger Firmen ausstellen als noch im Vorjahr. Die hifideluxe im Marriot Hotel, das bequem per Shuttle-Bus erreichbar ist, bietet neben Hotelzimmern üblicher Größe zusätzlich sieben recht große Vorführraume, in denen eine klanglich ansprechende Präsentation möglich ist. Diese Chancen nutzen die Aussteller nicht alle im gleichen Maße. Dennoch gab es eine ordentliche Menge Ohrenschmaus und auch optisch Besonderes zu erleben.
Nach diesem Ausflug zur hifideluxe suchte und fand ich noch viele neue Dinge auf der High End im MOC, über die ich in den Beiträgen der nächsten Tage werde.
Wesentlich spannender als nur das Aufspüren von neuen Produkten finde aber ich die Beschäftigung mit den musikalischen Auftritten der Aussteller. Das Problem ist leider, dass die Zeit reicht nicht. Vier Messetage sind für einen Reporter, der im Grunde gern alles Aufgebaute und Angeschlossene auch hören möchte, das Gegenteil einer Ewigkeit. Also habe ich einige Vorführungen ausgesucht, die mir zuvor auf den drei Etagen der Halle 4 aufgefallen waren. Die Halle 4 ist der deutlich umfangreichste Trakt und daher ist das Angebot zu groß, um sich überall hinzusetzen und ein Weilchen entspannt zu lauschen. Bei meiner Auswahl sind alle die Vorführungen ausgeschieden, wo Lautstärke oder Musikauswahl nicht nach meinem Geschmack war. Die Auswahl ist also wirklich sehr subjektiv, ja beinahe willkürlich und es gab sicher auch andere sehr gute Vorführungen. Möge sich also bitte niemand übergangen oder bevorzugt fühlen. Um keine falschen Erwartungen zu wecken, möchte ich meine kurzen Hörberichte nicht als eine Art Test verstanden wissen, schon gar nicht als Vergleich. Die Hörberichte erheben auch keinen Anspruch auf eine umfassende Betrachtung. Schon allein die sehr unterschiedlichen Vorführbedingungen, mit denen die Aussteller zu tun hatten, müssen zwangsläufig Auswirkungen auf den Klang haben. Ich versuche, die positiven Eindrücke der jeweiligen Konfigurationen zu beschreiben, Kritik möchte ich mir unter diesen Umständen nicht anmaßen. Auch war das Musikmaterial fast nie dasselbe. Aber genau so wie mir geht es ja auch allen anderen Besuchern, die auf der Suche nach neuen Geräten für ihr Zuhause nach München kommen.
Als erstes gönnte ich mir eine Vorführung auf hohem Niveau. Die Kawero Classic hatte ich am Anreisetag schon bei Dirk Sommer im Hörraum gehört. Somit wusste ich: Ein Besuch bei diesem Hersteller lohnt sich. Die Kawero Classic wurde mit der Elektronik und dem Plattenspieler von Kondo präsentiert. Die Komponenten standen in und auf Racks von Kawero. Preislich liegt das Setup im Bereich einiger Hunderttausender. Aber die High End ist schließlich eine der sehr seltenen Gelegenheiten, so etwas überhaupt zu Gehör zu bekommen. Im vergangenen Jahr hatte mich die Vorführung von Manuel Huber mit seinen FM-Acoustics Verstärkern und Lautsprechern fasziniert. Auch diese Set lag in ähnlichen Preisregionen. Ich würde auch keine Probefahrt im Ferrari oder Rolls Royce ausschlagen, böte man mir sie an – kaufen kann ich sie nicht.
Bei Kawero und Kondo wurde ausschließlich Vinyl aufgelegt, während ich dort war. Später gab es auch eine Vorführung mit Masterbändern auf einer Nagra IV S. Als ich in den Raum kam, lief Louis Armstrongs Version von „St. James Infirmery“. Ich setzte mich in die letzte Reihe des großen Vorführraumes auf den einzig freien Platz. Sofort beeindruckten die Klangfarben der Bläser und des Schlagzeugs. Die Dynamik war packend. Aber der Bass dröhnte leicht. Das gleiche positive wie negative Erlebnis stellte sich auch beim folgenden „Lover, Lover, Lover“ von Leonard Cohen, Live in Tel Aviv 2009 ein. Die letzte Stuhlreihe war also nicht der ideale Platz. Sobald zwei Reihen vor mir ein Platz frei wurde und ich diesen eingenommen hatte, empfand ich den Auftritt Leonard Cohens und seiner Mitmusiker deutlich anders: Hier war alles viel besser, ausgewogener und nichts dröhnte mehr in den Tiefen. Jetzt konnte es losgehen. Sehr deutlich übertrug die Anlage die stimmliche Artikulation des Sänger-Poeten und seiner Background-Stimmen. Der Hochtonbereich erklang transparent und seidig. Anschließend wurde Led Zeppelins „When The Levee Breaks“, gefühlvoll interpretiert von Vanessa Fernandez, auf den Plattenteller gelegt. Die Musik ertönt farbenfroh, impulsstark und frei von irgendwelchen Überlagerungen. Hier wird nichts verdeckt. Das Timing und die Rhythmik, die diese Anlage zu vermitteln vermag, springen über, die Füße wippen, und das nicht erst seit diesem Stück. Rossinis erste Sonate aus Sei Sonate a Quattro lässt an glaubwürdig realistischer Reproduktion nichts vermissen. Da haben die Streichinstrumente ihren eigenen Platz, ohne übergroß oder zu tief in den Raum projiziert zu werden. Die Klangfarben wirken absolut echt und es klingt wirklich schön. Maria Callas mit „L´amour est un oiseau rebelle“ aus Bizets Carmen mit dem French National Radio Orchester lässt zwar die aufnahmetechnisch bedingte, minimale Härte in einigen Momenten des Stückes erkennen, vermittelt aber faszinierend die wunderschöne Stimme dieser großen Künstlerin und offenbart die Feinheiten im Orchesterspiel ebenso wie dessen Dynamik. „Asturias“ aus Frühbeck de Burgos Orchester-Transkription von Albéniz Suite Espanola gefiel wegen der seidigen, körperhaften Streicher und deren Energie. Voluminös und in glaubhafter Größe strahlten auch die Blasinstrumente. Abschließend durfte ich noch einige Takte aus Beethovens „Appasionata“ genießen, gespielt von Carol Rosenberger auf einem Bösendorfer Imperial. Ich erlebte eine gefühlt reale Abbildung des voluminösen Instruments mit seinen druckvollen tiefen Lagen in glaubwürdiger Größe. Insgesamt war dies für mich ganz großes Ohren-Kino.
Nach diesem Hörerlebnis ist die Wahl der folgenden Vorführung schwierig, weil ein wenig ungerecht. Ich entschied mich für einen extremen Wechsel. In einer Hörkabine im Erdgeschoss hatte ich die wunderschönen und für ihre Optik und Verarbeitung geradezu preisgünstigen, wohnraumfreundlichen Lautsprecher Lignea von Franco Serblin gehört. Sie sind eine Hinterlassenschaft des 2013 verstorbenen Musikliebhabers und Lautsprecherbauers, der seinerzeit auch die Lautsprecher des Hauses Sonus Faber kreierte und diese Marke etablierte. Die Lignea werden in Kürze beim deutschen Vertrieb WBS zu einen Preis zwischen 4000 und 5000 Euro pro Paar erhältlich sein. Angesteuert wurden sie in der hübsch ausgestatteten Hörkabine von einem Prima-Luna-Röhrenverstärker und einem Rega-Isis-CD-Spieler. Verkabelt war die Kette mit Yter Kabeln aus Italien.
Wir haben es hier also im Vergleich zum zuvor Erlebten mit einer geradezu bescheidenen Größenordnung zu tun. Optisch finde ich die Lignea, dieses beeindruckend verarbeitete, kleinvolumige Schmuckstück mit integrierten, formschönen Ständer ausgesprochen sympathisch. Beim Eintreten lief gerade recht leise Streichermusik mit einem Cello als Soloinstrument. Mir gefiel die angenehme, räumlich differenzierte, leichtfüßige Darbietung. Es klang unaufdringlich und sauber strukturiert. Oben herum war's angenehm ohne jegliche Härte. Sofort fiel die Stimmigkeit der Anlage auf. Die Live-Atmosphäre des „Night Mist Blues“ von Monty Alexanders Album Live! At The Montreux Festival vermittelte die Anlage recht dynamisch. Die Kette agierte voller Spielfreude und homogen. Ich vermisste höchsten den Druck in den unteren Lagen, den ein so kleiner Lautsprecher bauartbedingt nicht erzeugen kann. Der gezupfte Bass sprühte dennoch vor realistischen Farbtönen und ließ die Füße wippen. Keb' Mos´ „For what it´s worth“ kam voller Rhythmus und Dynamik rüber. Die reichhaltige Instrumentierung blieb sehr schön durchhörbar und die Hammond Orgel wimmerte vernehmlich im Hintergrund. Auch die Stimme, die Saiteninstrumente und Percussion im Titel „Duerme Negrito“ von Los Parajos Perdidos machte wegen der Klangfarben, der Transparenz und der feinen Dynamik richtig Spaß. Die klanglichen Leistungen und die hochwertige Verarbeitung machen diesen sehr edel gestalteten Lautsprecher für ich mich wirklich interessant. Wie wär's mit einem Test?
Ich möchte ihnen noch kurz eine dritte Vorführung schildern, die mir von einem Kollegen empfohlen wurde. Es geht dabei um die Lautsprecher, Verstärker und Kabel von Boenicke Audio aus der Schweiz. Das digitale Frontend kam von CAD aus Surrey in England. Der Preis des gesamten Sets liegt bei 70.000 Euro, die Lautsprecher allein kosten 14.400 Euro. Fotos der Anlage finden Sie in Helmut Baumgartners Messerundgang vom ersten Tag. Als ich den Raum betrat, besaß ich keinerlei Informationen über die Anlange, so dass ich mich unvoreingenommen dem Hörerlebnis widmen konnte. Sven Boenicke führte seine Produkte in dem mit Zuhörern gut gefüllten Raum persönlich vor. Im Mittelpunkt stand der Lautsprecher W 11 SE+, angesteuert vom Boenicke E2 Vollverstärker. Ich besetzte einen guten Hörplatz in der zweiten Reihe. Für diesen Bereich des Auditoriums war die Anlage in Abstand und Basisbreite ausgerichtet. Mithilfe des audiophilen Dauerbrenners von Oscar Peterson „You look good to me“ konnte ich mich schnell auf das Set einhören und fand sofort Gefallen an der aufgeräumten Darstellung. Die Raumausleuchtung war geradezu ideal, nicht zu weit, aber frei, ohne Bindung an die Schallquellen und standfest. Den Bass auf der rechten Seite produzierte die schlanke Säule mit dem seitlich abstrahlenden Tieftöner sehr akkurat und dynamisch, gezupft wie gestrichen. Den Klang des Flügels habe ich genauso von meinem eigenen System zuhause im Ohr. Das stellte mich natürlich zufrieden. Bei Beethovens Streichquartett No.13 wurde eine weitere Stärke dieses Sets offenkundig: Der wunderschön intensiv durchgezeichnete Grundtonbereich ließ quasi die Anlage verschwinden und stellte die Streichinstrumente in den Raum. Dabei gefiel mir die nicht übertriebene Tiefe der Abbildung und vor allem die glaubwürdige Anordnung der Instrumente. Die Klangfarben wirkten echt und das Timbre der Anlage war angenehm und ließ gleichzeitig die Details in der Musik nuanciert erkennen. Da gab es kein angestrengtes Hören, die Musik floss übers Ohr in Kopf und Herz. Als der Titel „Interlude“ von London Grammar kam, war ich begeistert. Einfach faszinierend, wie die Boenicke-Audio-Kette die Sängerin Hannah Reid in den Raum stellte, nachdem der Flügel ihren imposanten Auftritt vorbereitet hatte. Die Instrumentierung erfreute wegen des prägnanten, warm klingenden Flügels genauso wie wegen der nach und nach hinzukommenden Instrumente, die alle ihren festen Platz zugewiesen bekamen und die anderen verdeckten oder einengten. Die Dynamik der zarten Impulse erreicht den Zuhörer unbeschwert, und die Klangfarben wirkten gleichzeitig schön und ehrlich. Das Set bei Boenicke Audio machte insgesamt einen mehr neutralen als spektakulären Eindruck und erfreute durch Dynamik und Plastizität. Die glaubhafte Grundtonwärme verband sich mit Transparenz.