Auf die Lautstärkeregelung folgen jeweils zwei „Gain Stages“ oder Spannungsverstärker pro Kanal. Dabei handelt es sich um eine diskret aufgebaute Audio-Flight-Schaltung mit Stromgegenkopplung, die im Class-A-Betrieb arbeitet. Die Spannungsverstärkungsstufe ist in einem Aluminiumgehäuse untergebracht und aus Gründen der thermischen Stabilität aller Bauteile mit Epoxyd-Harz vergossen. Eine große Aluminiumplatte dient der Wärmeabfuhr. Auch die sich anschließende, sehr rauscharme Ausgangsstufe arbeitet im Class-A-Betrieb. Sie soll aufgrund ihrer hohen Stromlieferfähigkeit in der Lage sein, jeden erdenklichen Endverstärker anzusteuern und wurde mit MOSFETs realisiert, nachdem man bei Audio Flight in längeren Hörvergleichen auch Schaltungen mit EXFETs und bipolaren Transistoren getestet hatte. Dass jeder der beiden Kanäle auf einer eigenen Leiterplatte untergebracht ist, die Leiterbahnen mit einer besonders dicken Kupferschicht versehen sind und Masse- sowie Spannungsführungen als Kupferschienen ausgeführt wurden, überrascht in Anbetracht der zuvor geschilderten aufwendigen Lösungen dann nicht mehr.
Auch wenn dieser Strumento n°1 mk2 schon auf einige Messen zu hören war, habe ich ihm erst einmal ein, zwei Wochen am Stromnetz spendiert, um sich in meinem Hörraum zu akklimatisieren. In der Zwischenzeit habe ich mich ein wenig mit der Bedienung vertraut gemacht. Nach dem Druck auf die „Set“-Taste lässt sich der Pegel eines jeden Eingangs um plus/minus sechs Dezibel variieren, um beim Umschalten zwischen den Eingängen Lautstärkesprünge durch unterschiedliche „laute“ Quellen zu vermeiden. Im nächsten Menüpunkt definiert man die Eingänge 1 und 2 als symmetrisch oder unsymmetrisch. Unter dem Punkt „Direct“ kann man für einen Eingang nach Wahl für den Betrieb des Strumento n°1 mk2 in einem Mehrkanalsystem die Lautstärkeregelung deaktivieren – aber wer wollte schon eine so feine High-End-Vorstufe mit einer Heimkino-Anlage in Verbindung bringen? Weiter geht’s mit „Edit“, der Möglichkeit, den Eingängen individuelle Namen zu geben. Unter „Link“ geht es um die Konfigurationen von Triggerspannungen, um andere Geräte in der Kette gemeinsam mit der Vorstufe ein- respektive auszuschalten. „Default“ reaktiviert die Werkseinstellungen und zum Schluss bekommt man die Versionsnummer der Firmware angezeigt.
Das Display des Strumento n°1 zeigt „DAVE“ und ich klicke mich durch die einschlägigen Songs auf den Festplatten des Melco, die dann der Chord DAVE als analoges Signal an den Audia Flight liefert. Bei Muddy Waters' vor fast einem Vierteljahrhundert von MFSL wiederveröffentlichtem Album Folk Singer bleibe ich deutlich länger hängen: Eine Stimme, zwei Gitarren, ein Bass und ein minimalistischen Schlagzeugset – eigentlich keine große Herausforderung für eine hochwertige Kette. Und dennoch ist es für mich verblüffend, was der Strumento n°1 aus dieser wohlbekannten Scheibe herausholt. Da ist erst einmal dieser große, hell ausgeleuchtete Aufnahmeraum, dann die mal einschmeichelnde, mal explosive Stimme. Die hart angerissenen Gitarrensaiten kommen mit einer selten gehörten Vehemenz rüber. Willie Dixons Kontrabass sumpft aufnahmebedingt wie gewohnt vor sich hin, ist aber rhythmisch dennoch treibend. Und wenn Clifton James mal seine Bass-Drum bedient, geschieht das mit richtig viel Druck. Dynamik, Schnelligkeit und Klarheit verbindet der Strumento n°1 ungemein stimmig mit Spielfreude und Lebendigkeit: keine Spur von kalter Analytik! Im Laufe der Jahre habe ich es mir mehr und mehr abgewöhnt, Konstruktionsmerkmale oder technische Daten einer Komponente mit Höreindrücken in Verbindung zu bringen. Aber hier drängt sich der Zusammenhang zwischen der hohen Anstiegszeit der Vorstufe und der Dynamik der Wiedergabe geradezu auf. Wie dem auch sei: Einsteins The Poweramp und Kawero!s Classic lassen sich vom Audia Flight zu dynamischen Höhenflügen inspirieren.
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