Der Mini-Aurender enthält auch nicht einfach ein abgespecktes Computerboard, optisch nett verpackt, sondern die Platinen sind von TVLogic selbst entwickelt. Das Betriebssystem des Aurender basiert auf der professionellen Linux-Software und ist so programmiert, dass es eben nur Audiodateien verarbeiten muss. Zudem hat das Linux-Programm für ängstliche Gemüter den Vorteil, dass es kaum Hackerangriffen ausgesetzt ist, im Vergleich zu Windows. Verarbeiten kann der X100S sämtliche gängigen Formate, also WAV, FLAC, ALAC, AIFF und wie sie alle heißen, einschließlich DSD 64 und DSD 128. Letzteres konnte ich allerdings nicht überprüfen, weil der La Scala Wandler dieses Format nicht unterstützt.
Die Musikdateien für den Test wurden mit dBpoweramp gerippt, in diesem Fall mit einem interessanten Gerät namens RipNAS solid; diese Dateien hatte ich früher für einem älteren Artikel in Hifistatement aufgenommen. Man sollte unbedingt dBpoweramp zum Rippen der Dateien benutzen, mit iTunes oder auch XLD beispielsweise verschenkt man die Hälfte. Mindestens!
Als Wandler stand für diesen Test noch der italienische La Scala DAC zur Verfügung, weil dieser hervorragend klingt und ich ihn sehr gut kenne und weil mein eigener DAC keinen USB Eingang besitzt. Könnte ich zwar einbauen, habe aber hierfür bisher noch keine Notwendigkeit gesehen. Für die Verbindung zum La Scala hatte ich zwei USB-Kabel zur Verfügung, einmal ein Standardkabel vom Blödmarkt (billig!) sowie ein Kabel mit Filter der Firma TotalDAC. Bits sind Bits, ich weiß, ich möchte aber trotzdem wissen, was sich damit für Unterschiede ergeben. Dazu später mehr.
Eine der großen Stärken aller Aurender Systeme ist die Bedienungsmöglichkeit per iPad. Das haben mittlerweile alle anderen auch, werden Sie vielleicht denken. Stimmt zwar, aber nicht in dieser ausgetüftelten Form. Der Trick dabei ist, dass die gesamten Mediadaten, einschließlich der Cover auf dem iPad gespeichert werden. Hierfür gibt es ein kostenloses App bei Apple. Über Androidgeräte lässt sich der X100S leider nicht bedienen. Die Verfügbarkeit der Mediadaten auf dem iPad ist beim Browsen größerer Musiksammlungen ein Riesenvorteil, das kann im anderen Fall sehr zäh werden, weil die Daten jedes Mal erst vom Server geladen werden müssen.
Um diese Steuerung per WLAN zu ermöglichen, benötigt man natürlich eine Ethernet-Verbindung zum Router.Trotzdem ist die Installation auch für Leute, die mit Computernetzwerken nichts am Hut haben, total einfach: Nachdem man die App auf dem iPad geöffnet hat, fragt das Programm nach einem Code, den der Aurender auf seinem Display anzeigt. Diesen gibt man in das Programm ein und fertig ist die Laube! Natürlich könnte man den X100S auch über die vier Tasten und das Display an der Frontplatte bedienen, zumindest die Basisfunktionen. Bei größeren Bibliotheken: Viel Spaß damit! Auch der Anschluss an einen Wandler macht keine Probleme, Aurender verbindet sich automatisch mit dem DAC.
So, wie klingt es denn nun? Zunächst einmal hatte ich X100S und La Scala mit dem Billig-USB-Kabel verbunden und aus der CD Será Una Noche den Titel „Soledad“ ausgewählt. Das Album beinhaltet Tango Musik, die allerdings mit der herkömmlichen Vorstellung dieser Musik nichts gemein hat. Ausgedacht hatte sich diese Musik der argentinische Perkussionist Santiago Vazquez. Die Idee dabei war nicht die formalen Elemente des Tango zu übernehmen, sondern nur den Kern dieser Musik und diese dann von Musikern außerhalb der Tangotradition spielen zu lassen. Die Aufnahme entstand in einer kleinen Kirche in der Nähe von Buenos Aires. Bei „Soledad“ hören wir links zunächst eine Bassklarinette – nicht unbedingt das typische Tangoinstrument – der Raumklang der kleinen Kirche ist fantastisch aufgenommen, und wird auch über den X100S realistisch wiedergegeben. Man kann die Größe der Kirche fast erahnen. Die Wiedergabe von Raumakustik scheint überhaupt eine der Stärken des Aurender zu sein. Aber auch der erdig warme Klang der Bassklarinette behält alle tonalen Facetten und dynamischen Abstufungen. Anschließend kommt die Gesangsstimme von Pedro Aznar dazu, die genauso plastisch im Raum abgebildet wird, wie die Bassklarinette. Überhaupt fühlt sich der Aurender bei dieser Aufnahme wie zu Hause.
Szenenwechsel, Mahler 2. Symphonie mit Riccardo Chailly und dem Royal Concertgebouw Orchestra. Diese Aufnahme gehört zu den Sternstunden der modernen Decca-Aufnahmen, wozu sicher auch die hervorragende Akustik des Amsterdamer Concertgebouw beiträgt. Chaillys Interpretation zu dieser Auferstehungssymphonie ist weniger mystisch-religiös als man sonst zu hören bekommt, er hält sich aber minutiös an die Anweisungen Mahlers. Die Wiedergabe über den X100S wirkt sehr transparent und detailliert, was Chaillys Intention, jedes Detail hörbar zu machen, sehr entgegenkommt. In „Urlicht“ ist gut zu hören, dass Chailly die Bläser weit in den Hintergrund platziert hat, so wie es der Komponist auch gefordert hat. Damit kommt der schlichte Charakter der Musik an dieser Stelle erst richtig zum Tragen. Aber auch in komplexen Passagen verliert der Kleine nie den Überblick, die Kesselpauken kommen mit gehörigem Druck. Wobei Chaillys Einspielung nicht auf spektakuläre Effekte ausgelegt ist.