Eigentlich hätte in der Überschrift stehen sollen „ein Test und vier Klangbeispiele“, denn ich hatte vor, Sie auch einmal hören zu lassen, wie sich die Entzerrung des Joplin im Vergleich zu meinen Einstein-Entzerrer anhört: Zu diesem Zweck wollte ich ein Stück von einer Schallplatte einmal mit dazwischen geschaltetem Entzerrer und einmal mit der internen Entzerrung und Verstärkung des Joplin digitalisieren. Doch egal, ob ich das Brinkmann-EMT mit seiner recht hohen Ausgangsspannung oder das eher „leise“ Lyra Olympos über den symmetrischen Einstein mit dem Joplin verbinde, dieser weist beim ersten häufig, beim zweiten recht selten mit einem rot leuchtenden „CLIP“ unmissverständlich auf Übersteuerungen hin. Die Überspielungen mit dem Einstein im Signalweg sind in dieser Konfiguration also schlicht nicht möglich.
Da ich für die Experimente eine wohlbekannte Scheibe aus eigener Produktion ausgewählt habe, bringt der Versuch mit dem Lyra doch eine erste Einsicht: Über weite Passagen, in denen es nicht zur Übersteuerung des Joplin kommt, schickt dieser über das Digisym-Reference-Kabel Daten für ein so fein aufgelöstes und farbstarkes Klangbild an den Mytek-Wandler, dass man glatt vergessen könnte, dass das feine analoge Signal zwischendurch gewandelt wurde. Auch wenn ich persönlich nie auf die Idee käme, Analoges vor dem Hören nur aus Bequemlichkeit auf die digitale Ebene zu transferieren, muss ich eingestehen, dass Joplin und Mytek so hervorragend wandeln, dass die zwischenzeitliche Digitalisierung dem Musikgenusss keinen Abbruch tut. Auch über den digitalen Umweg fließen die Melodien, öffnet sich der Raum, strahlen die Farben und macht einen die unlimitierte Dynamik beinahe glauben, der Musik selbst und nicht einer Aufnahme zu lauschen.
Wenn dann der Joplin die Signale des Brinkmann EMT ti ohne die Hilfe des Einstein verstärkt – bei „Gain 55“ werden Übersteuerungen sicher vermieden –, wandelt und entzerrt, wirkt die imaginäre Bühne ein Stückchen weniger tief, die Farben verlieren einen Hauch ihrer Strahlkraft und auch ein Hauch Spielfreude geht verloren. Kurz: Der Joplin ist ein guter, dafür aber in puncto Entzerrungskurven ungemein vielseitiger Phonovorverstärker – und ein ganz hervorragender A/D-Wandler.
Aussagekräftiger als diese recht pauschale Einschätzung der – wie ich bisher finde – ganz enormen Fähigkeiten des Joplin als Wandler ist natürlich der Vergleich einer mit ihm erzeugten Datei mit einer, die mithilfe des Ayre QA-9, des dCS 900 oder den in der Nagra LB intergrierten ADCs erzeugt wurde. Die letzten genannten Dateien stehen hier in 192 und 48 Kilohertz zum Download bereit. Die Produktion zweier weiterer Varianten von Paul Kuhns „Griff“ von einer Mastertape-Kopie erweist sich mit dem Joplin dann aber etwas komplizierter als gedacht: Die über das oben erwähnte Adapterkabel an den Joplin geleiteten Ausgangssignale der Studer A 80 provozieren beim M2Tech wieder die Anzeige „CLIP“. Die naheliegende Idee, die Ausgangsspannung der Studer unter Zuhilfenahme von Bezugsband und RTW Peakmeter um zehn Dezibel zu verringern, lässt sich leider nicht umsetzen, da der Regelbereich des Ausgangsverstärkers der A 80 dafür zu klein ist.
Da bleibt nur eines: das Ausweichen auf die Studer A820, bei der sich der Pegel so weit reduzieren lässt, dass der Joplin nicht mehr übersteuert. Danach geht dann alles wie von selbst: das Digitalisieren des Songs mit dem Joplin, die Aufzeichnung mit der Nagra LB, das Bescheiden von Anfang und Ende des Songs mit Sonic Studios soundBlade und das Normalisieren des Pegels. Natürlich klingt eine A 820 nicht exakt wie eine A 80 und auchd den Adapter wird man theoretisch hören können. In welche Richtung der Joplin tendiert, verraten den Dateien aber allemal. Die Download-Buttons für die mit dem M2Tech erstellten Musik-Files zum Vergleich mit den beim Test des Ayre online-gestellten finden sie unten.
Für alle, die lieber lesen als hören, hier ganz kurz: Der Joplin vermag es, die Emotionen eines Songs aus der analogen Ebene in eine Datei hinüberzuretten. Dabei ist sein Klangbild eher auf der wärmeren Seite. Die Nagra wirkt zwar einen Hauch offener, aber auch kühler und ein bisschen technischer. Da bewegt sich der Joplin schon eher in den Gefilden des etwa doppelt so teuren Ayre, ohne jedoch dessen rhythmischen Fähigkeiten zur Gänze zur erreichen. Aber das ändert nicht das Geringste an meiner Wertschätzung des Joplin.
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