Nun ärgert mich eben dieses Vorverstärker-Schmuckstück, indem es sporadisch – manchmal tagelang nicht, dann wieder mehrfach an einem Musik-Abend – Mikrofonie-Effekte hören lässt. Eine oder auch mehrere der zehn Röhren geraten in Schwingung und geben einen hellen, singenden Ton über den Lautsprecher ab. Das ist natürlich störend, da es ins Klanggeschehen einfließt. Auch wenn es ein leises Störsignal ist, kann es zu Intermodulationen kommen, die dem gesamten Musikgeschehen schaden. Bei leisen Passagen ist das Schwingen durchaus schon mal lauter als das Nutzsignal. Beheben lässt es sich der Effekt schnell wieder: Den Lautstärkeregler drehe ich gegen Null und nach wenigen Sekunden ist alles wieder ruhig, wie es sein soll. Öffne ich den Pegelsteller wieder, bleibt es üblicherweise erst einmal störungsfrei.
Dieses Mikrofonie-Problem darf man bitte nicht dem Gerät anlasten, auch wenn es in ihm entsteht. Nein, die Röhre selbst ist die Quelle des Übels, da sie konstruktionsbedingt aufschwingen kann und dieses unerwünschte Sirren oder Klingeln erzeugt. Man kann Exemplare erwerben, die besonders unempfindlich sind, habe ich mir sagen lassen. Nur, die habe ich wohl nicht, wie es scheint. Die Mikrofonie ist ein mechanisches Phänomen. Sie kann jedoch, so erfuhr ich vom freundlichen Technik-Support bei T+A, dadurch begünstigt werden, dass ein mit Röhren bestücktes Gerät sehr dicht an einem Magnetfeld-Generator, wie es ein Lautsprecher-Chassis darstellt, aufgestellt ist.
Nur wenige Hersteller bieten für dieses Mikrofonie-Symptom Lösungen an. Diese bestehen in Ringen, die über die Röhren gestülpt werden und den Zweck haben, sie mechanisch zu beruhigen. Die Konstruktionen unterscheiden sich. Es gibt schlichte Ringe oder wie Endstufen-Kühlkörper gerippte Designs. Durch die Masse und das akustische Verhalten des Materials werden die Röhren beruhigt. So kann theoretisch der ungewünschte Effekt verringert oder ganz verhindert werden.
Auch die rührige HiFi-Edelschmiede und Vertriebs-Firma namhafter Produkte Audioplan in Malsch bei Karlsruhe bietet Röhrendämpfer an, und zwar aus dem Werkstoff Sicomin. Die Audioplan Sicomin-Röhrendämpfer gibt bereits seit langer Zeit und sie gehören zu einem Portfolio verschiedener Audioplan Sicomin Produkte. Auf den ersten Blick zeichnen Sie sich durch zwei Merkmale aus: Sie sind nicht gerade billig – zwei Stück kosten 96 Euro – und sie sind optisch eher unauffällig.
Die Sicomin-Ringe haben einen Außendurchmesser von 27 Millimeter bei drei Millimeter Materialstärke. Die Höhe des Rings ist 15 Millimeter. Die Innenfläche bedeckt ein passgenau lose einliegendes Vlies. Insgesamt verdickt der Sicomin-Ring die Röhre um knapp acht Millimeter durch Vlies und Sicomin. Eine Durchtrennung des Ringes ermöglicht ein Aufspreitzen des Sicomin-Dämpfers und erleichtert das Aufsetzen auf die Röhre. Es muss also kein Druck auf den empfindlichen Glaskolben ausgeübt werden. Allerdings verschiebt sich der lose Stoff im Ring leicht und es klappt nicht immer beim ersten Versuch. Wo man den Sicomin Dämpfer auf der Röhre aufzusetzen hat, ist nicht beschrieben. Ich konnte es aber beim Vertrieb erfragen und bekam von Thomas Kühn sehr präzise Anweisungen: Der richtige Sitz ist ein bis zwei Millimeter unterhalb des oberen Glimmerplättchens.
Mein schmucker T+A P10 hat keine offen liegenden Röhren. Alle befinden sich in Käfigen, die zum Geräte-Inneren Masseverbindungen haben. Keine leichte Aufgabe war das Zerlegen des Vorverstärkers, der mir erstmals sein bewundernswertes Innenleben darbot. Auf acht der insgesamt zehn Röhren konnte ich die Sicomin-Dämpfer wie beschrieben platzieren. Bei zweien ist es unmöglich, da die Massekabel in den Röhren-Abschirmkäfigen den Ring nach unten drücken. Es passt einfach nicht. Vielleicht geht´s, wenn man den Spalt des Sicomin-Dämpfers zu einer fünf bis zehn Millimeter großen Öffnung erweitert. Üblicherweise zerstöre ich die Testobjekte ja nicht gleich. Aber in diesem Falle dient es der Wahrheitsfindung. Wenn zwei der zehn Röhren unversorgt bleiben, ist der Versuch nicht aussagekräftig. Denn zwei Röhren reichen ja, um den ungeliebten Effekt herbeizuführen. Ein scharfes Teppichmesser war das geeignete Instrument, mit den ich das Sicomin leicht bearbeiten konnte. Ich verbreitete den Spalt auf knapp zehn Millimeter, so dass ich das Massekabel hindurchfummeln konnte.