Montag, 22 November 2010 01:00

Streng symmetrisch oder doch eher balanced?

„Oh, gut – voll symmetrisch aufgebaut“ entfährt es vielen Hifi-Besessenen, wenn sie  eines Gerätes mit einer XLR-Buchse ansichtig werden. Diese Buchse stellt nahezu ein Synonym für „symmetrisch“ dar, und jeder assoziiert damit: Symmetrisch, aufwendiger und somit besser. Alles Blödsinn! Da gibt es viele alte Zöpfe abzuschneiden und Vorurteile zu beseitigen.


Machen wir uns also munter ans Werk:

  • XLR-Buchsen oder andere mehrpolige Verbindungen sind kein Garant für symmetrische Signalverarbeitung. Allerdings zeichnen sich gerade diese Steckverbinder durch äußerste Robustheit und einen voreilenden Massepin aus, was ihre Verwendung in der professionellen Technik de facto zum Standard erhoben hat. Das hat sich allerdings geändert und nicht immer zum Besseren.
  • Symmetrische Signalverbindungen sind nicht grundsätzlich besser als unsymmetrische, sondern erst einmal nur anders und erfordern in den meisten Fällen mehr Schaltungsaufwand.
  • Die Art der Signalverbindung sollte immer dem Einsatzumfeld und Einsatzzweck angepasst werden.
  • Mit dem Begriff symmetrisch wird viel Schindluder getrieben. Zumeist wird damit einfach eine Verdopplung der an der Signalverarbeitung befindlichen Komponenten erwartet, was mit der größte Blödsinn ist.
  • Der Begriff symmetrisch wird auch dann verwandt, wenn die so bezeichnete Schaltung nichts mit der Symmetrierfunktion zu tun hat.


Zu Anfang sollten wir einmal untersuchen, was symmetrisch überhaupt bedeutet und welche Auswirkungen bei der Signalübertragung zu erwarten sind. Entstanden ist eine derartige Übertragungskette zu Beginn der Rundfunkzeit. Dort musste man den relativ leisen Pegel von Mikrofonen auf ein höheres Level hieven, das zur weiteren Verarbeitung geeignet war – sei es für den Eingang einer Tonaufzeichnungsmaschine oder den Eingang eines Mischpults. Als einfache Lösung bot sich ein Transformator an: Allein durch die Windungsverhältnisse der Primär- und Sekundärseite bestimmte man die Signalverstärkung. Außerdem war es die einzige Möglichkeit, relativ rauschfrei niedrigpegelige Signale zu verstärken. Immerhin reden wir hier vom Beginn des Röhrenzeitalters.

Dabei  waren zwei Drähte notwendig, um das Signal zu transportieren sowie eine Abschirmung drum herum, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Sozusagen als positiver Nebeneffekt stellte sich heraus, dass diese Art der Verbindung sich als äußerst resistent gegenüber Einstreuungen erwies. Um dies zu verstehen muss man einige physikalische Eigenheiten des zu übertragenden Signals und der daran beteiligten Bausteine genauer betrachten. Nachstehend ein typisches Bild, wie bei einer normalen, unsymmetrischen Verbindung Sender und Empfänger miteinander verbunden sind. Dabei ist der Sender ein Quellgerät wie ein CD-Player oder ein Tonabnehmer. Der Empfänger soll ein Vor- oder Vollverstärker sein. Die Verbindung wird über ein herkömmliches Cinch-Kabel hergestellt.

Bild 1: Unsymmetrische Übertragungsstrecke
Bild 1: Unsymmetrische Übertragungsstrecke

Wie man deutlich erkennen kann, mischen sich „böse“ Einstreuungen in das zu übertragende Signal, die letztlich als Brummen oder Zirpen den Musikgenuss stören. Dies ist wohlgemerkt eine „kann“ Situation. In den meisten Fällen funktioniert alles störungsfrei. Dabei sollte man „störungsfrei‟ etwas genauer definieren: Bei Anschluss eines Tonabnehmers sollten mehr als 70 dBA Dynamik zur Verfügung stehen, bei einem Hochpegelanschluss mehr als 96 dB (linear 20 Hz bis 20 kHz).

Vergleichen wir die unsymmetrische Übertragungsstrecke nun mit einer Symmetrischen, so fällt die andere Struktur der Übertragung auf:

Bild 2: Symmetrische Übertragungsstrecke
Bild 2: Symmetrische Übertragungsstrecke

Bild 1 zeigt eine Leitung, die als Zuleitung die grüne Ader benutzt und als Rückleitung die Abschirmung, blau dargestellt. Von außen kommende Störungen durchdringen erst die Abschirmung und dann den inneren Leiter, aber beide in verschiedener Stärke. Dadurch wird nach dem Induktionsgesetz eine Störspannung induziert. Diese Störspannung ist dann auch später im Signal hörbar.

Bild 2 zeigt eine Zweidrahtleitung, bei der die Signale nur die beiden Innenleiter benutzen (welche räumlich eng und parallel beieinander liegen), während über die Abschirmung überhaupt kein Tonsignal läuft. Der Sender spaltet das Signal in zwei exakt gleich große Signale auf, die aber entgegengesetzte Phasenlagen haben, zu sehen an den Darstellungen neben den Tonadern. Out erzeugt ein „invertiertes“ Signal. Am Empfänger wird das in+ Signal normal weitergereicht, das in- Signal aber in seiner Phasenlage um 180° gedreht, so dass es sich gleichsinnig zum in+ Signal addiert.

Eventuelle Einstreuungen, die auf diese Leitung einwirken, erzeugen natürlich gleichsinnige Störungen in beiden Leitungen – da das Signal aber am in- Eingang invertiert wird, wird die Störung mit invertiert. Der Rest ist normale Mathematik – Addition und Subtraktion: Die Signale addieren sich, die Störungen subtrahieren sich, zu sehen in Bild 3.

Bild 3: Störunterdrückung durch Addition der gegenphasigen Signale
Bild 3: Störunterdrückung durch Addition der gegenphasigen Signale

Zurück zum Transformator, dem Urvater aller Symmetrierer, damals zu Beginn der Rundfunktechnik. Der Einsatz eines Transformator scheint einfach, hat aber viele Haken und Ösen: Transformatoren bewirken eine sogenannte quadratische Rückwärtstransformation des Eingangswiderstandes der nachfolgenden Schaltung in Abhängigkeit des Übertragungsfaktors. Auf die Unverständlichkeit dieses Satzes bin ich besonders stolz, versuche aber, diese physikalische Eigenheit einmal simpler zu erklären: Wird ein Übertrager eingesetzt, der den Signalpegel der Quelle auf den zehnfachen Wert anhebt, so sieht die Quelle einen Widerstand von einem hundertstel des Widerstandes des nachfolgenden verstärkenden Gerätes. Hat dieses Gerät einen Eingangswiderstand von einem Megohm (eine Million Ohm), so sieht „durch“ den Übertrager die Quelle davon nur noch eine Million Ohm dividiert durch 10², also 10 Kiloohm. Diese Regel gilt für alle Übertrager ohne Ausnahme. Das bedeutet: Je höher der Transformator das Signal transformiert, desto kleiner wird der Widerstand, den die Quelle sieht. Das kann bei einigen Quellen schon mal zu Problemen führen, da der Quellwiderstand ja quadratisch vom Transformationsverhältnis abhängig ist. Zudem sind Transformatoren oder Übertrager keine idealen Bauelemente. So entstehen bei ihrer Herstellung, wenn die Wicklungen auf den Kern oder den Spulenkörper aufgebracht werden, Kapazitäten sowohl zwischen den verschiedenen Wicklungen als auch innerhalb der Wicklungen selber. Ebenfalls beeinflusst die Wahl des Kernmaterials und dessen mechanischer Aufbau direkt die entstehenden Verzerrungen, die Begleiterscheinungen eines jeden Transformators sind.

Hier aber erst einmal eine Darstellung einer transformatorischen Übertragungsstrecke mit dem Einfluss der Widerstandstransformation. Zuerst ein idealer Transformator, der an einem nachfolgenden Gerät mit 100 Kiloohm Eingangswiderstand arbeitet.


Weitere Informationen

  • Imagefolder: basics/10-11-22_basics

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