Dass Messwerte so gut wie nichts über den Klang aussagen, weiß jeder, der sich auch nur oberflächlich mit Hifi beschäftigt. Also bleibt dem Redakteur nur, seine Hörerfahrungen in blumige Metaphern zu verpacken, mit denen sich Klang mehr schlecht als recht beschreiben lässt. Oder sollte es – zumindest in unserem Medium – einen anderen Weg geben?
Ich kenne wenige Kollegen, für die es die reine Freude ist, die Eindrücke, die sie bei der Beschäftigung mit noch so interessanten Komponenten gewinnen konnten, wortreich darzustellen. Und dabei fasse ich den Begriff Kollegen gerne recht weit und beziehe alle mit ein, die ihre Erfahrungen mit Hifi einem größeren Kreis mitzuteilen bereit sind – sei es hauptberuflich oder eher zum Spaß. Im Extremfall führt die persönliche Abneigung gegen das „Klanggesülze‟, wie ein ehemaliger Mitarbeiter es charmant zu nennen pflegte, dazu, dass die letzte Schraube, jeder Widerstand und noch das winzigste Schaltungsdetail haarklein geschildert werden, für den eher emotionalen Teil der Geschichte aber gerade mal ein paar stereotype Zeilen übrigbleiben. Das krasse Gegenteil stellen die Autoren dar, in deren Metaphern-Feuerwerk man nur mit Mühe – wenn überhaupt – ein paar verwertbare Klang-Informationen zum Gerät findet. Zwischen diesen Extremen muss ein jeder, der in unserer Branche tätig ist, seinen Weg finden. Aber da es ähnlich viele technisch interessierte wie klangorientierte Leser gibt, hat bisher jeder Redakteur seine Zielgruppe gefunden.
Vor Jahren bekam ich über Umwege eine CD, die Michael Fremer, langjähriger Autor bei Stereophile und noch ein wenig analog-fixierter als ich zu jener Zeit, gebrannt hatte. Und darauf befanden sich die immer gleichen Songs, die jedoch mit verschiedenen Tonabnehmern von einer Platte abgespielt und dann ins Digitale gewandelt worden waren – quasi ein digitales Notizbuch für klangliche Eindrücke von Analogkomponenten. Da ich CDs und ihrer Wiedergabe nicht besonders viel abgewinnen konnte, wenn sie nicht gerade mit Playern von Schlage eines Wadia oder dCS wiedergegeben wurden, fand ich die Idee jedoch wenig spannend, so dass sie bald darauf in Vergessenheit geriet. Danach musste ich mich wegen meiner Aufnahmetätigkeit beinahe gezwungenermaßen mit digitalen Sicherungskopien beschäftigen, was meine Einstellung zu Digitalaufzeichnungen mit hoher Auflösung zumindest partiell änderte. Dann kam der Wechsel zu Hifistatement und eine Menge neuer Ideen für diese Publikation. Eine davon sind die Downloads aus dem Birdland sowie von anderen Konzerten. Der Zugriff auf feinste Aufzeichnungsgerätschaften aus dem Hause Nagra und die intensive Auseinandersetzung mit der Bearbeitung und Wiedergabe hochaufgelöster Digitaldaten per iMac, Amarra und sounBblade führte dann langsam, aber endgültig zum Umdenken. Den letzten Anstoß lieferte Burmesters Phonostufe 100, die mit einem hochwertigen Analog-Digital-Wandler-Modul ausgestattet werden kann. Da ich meine LPs weder für einen Music-Server noch für iPod und Co wandeln würde, überlegte ich mir eine sinnvolle Anwendung. Und da der Burmester digitale Daten mit 24 Bit und 192 Kilohertz liefern kann, schien mir eine Erinnerungshilfe für den Klang von Tonabnehmern das Naheliegendste. Und so kommt man von einer Frage zur nächsten: Wäre es nicht auch sinnvoll, den Klang von Phonostufen zu archivieren? Wie lässt sich der Pegel exakt angleichen? Wie gelangen die Daten per S/PDIF oder Toslink auf das Speichermedium, da der USB-Augang des Burmester nur mit 48 Kilohertz arbeitet? Wie soll es weitergehen, wenn Burmester sein Schmuckstüch zurück haben möchte? Könnte man das digitale Notizbuch nicht auch den Lesern von Hifistatement zugänglich machen, und wie steht es mit den Rechten der Künstler, deren Platten man verwendet?
Doch bevor ich mich an die Beantwortung zumindest einiger der Fragen mache, möchte ich noch einmal auf die Anfangsfrage zurückkommen: Gibt es eine Möglichkeit, die Klangbeschreibungen abzuschaffen? Prinzipell nein. Denn zum Beispiel bei Lautsprechern ist der Klang so stark vom Raum abhängig, dass eine Aufnahme, der auch noch einmal die Mikrofone und ihre Positionierung ihren Stempel aufdrücken, keinerlei Sinn machen würde. Auch kann ich mir nicht vorstellen, wie sich die Klangcharakteristik einer Endstufe einfangen ließe, die ja in einem nicht geringen Maße von der Interaktion mit dem angeschlossenen Lautsprecher abhängt. Und die Differenzen zwischen wirklich guten Vorstufen sollten so gering sein, dass sie durch die Unschärfe einer Digitalaufnahme nivelliert werden. Für die größten Klangprägungen in einer Kette waren und sind noch immer die Schallwandler verantwortlich: Die Umwandlung von Bewegung in Spannung beim Tonabnehmer und von Spannung respektive Strom in Bewegung beim Lautsprecher sind vom theoretischen Ideal noch deutlich weiter entfernt als etwa die Verstärkerelektronik. Eine Aufzeichnung von Lautsprechersignalen haben wir ja bereits ausgeschlossen, also bieten sich für Klangbeispiele vor allem Tonabnehmer und, wenn auch in weit geringerem Maße, Tonarme und Phonostufen an.