Markus Sauer: Guten Morgen, Paul. Wie gefällt es Dir hier in Europa?
Paul McGowan: Ich bin ein großer Europa-Fan und freue mich jedes Mal, wenn ich hier hin kommen kann. Heute morgen bin ich gejoggt. Direkt hier am Hotel ist ein Wald und Jürgen (Jürgen Sachweh, vom deutschen PS Audio-Vertrieb hifi2die4) hat mir erklärt, dass das Hotel am Rande eines Naherholungsgebietes liegt. Wie macht Ihr Europäer das nur? Bei uns in Amerika wäre schon längst ein Investor gekommen, hätte den Wald platt gemacht und teure neue Häuser hochgezogen.
Ich bin im Orange County nahe Los Angeles aufgewachsen. Als ich klein war, gab es da tatsächlich noch jede Menge Orangenbäume. Heute gibt es im ganzen County keinen einzigen mehr, alles ist zubetoniert.
MS: Na ja, Europäer leisten sich den Luxus von öffentlichem Raum, wahrscheinlich deshalb, weil wir viel weniger Raum haben als ein Land wie die Vereinigten Staaten.
Paul McGowan: Und ansonsten habe ich schon deshalb ein gutes Verhältnis zu Europa und insbesondere Deutschland, weil ich hier meine Frau Terri getroffen habe. Ich war damals bei der Army stationiert und habe Terri, die auch Amerikanerin ist, in München kennen gelernt, als sie dort Urlaub machte. Uns hat Deutschland so gut gefallen, dass wir beschlossen hatten, hier zu leben, wenn ich meine Army-Zeit hinter mir hätte. Ich hatte damals einen Nebenjob im Studio von Giorgio Moroder, wir haben jede Menge deutsche Cover-Versionen von internationalen Hits aufgenommen. Giorgio hatte mir einen festen Job angeboten.
Leider schickte mich die Army dann ein halbes Jahr vor Ende meiner Dienstzeit zurück in die USA, nach Fort Benning in Georgia. Sie hatten herausbekommen, dass ich meine Haare lang hatte wachsen lassen. Die anderen Soldaten setzten sich langhaarige Perücken auf, um nicht in der Freizeit mit dem uncoolen „Crew Cut“ herumlaufen zu müssen. Ich machte es andersherum, ich ließ meine Haare wachsen und setzte tagsüber eine Kurzhaarperücke auf. Als ich dann meine „Strafversetzung“ hinter mir hatte, war der Job bei Giorgio weg und er hatte jemand anderen gefunden.
MS: Paul, vielleicht können wir das Interview beginnen, indem Du kurz Deinen Werdegang und den von PS Audio schilderst.
Paul McGowan: Gegründet wurde PS Audio im Jahre 1974 von mir und Stan Warren, dem P und dem S im Firmennamen. Wir wollten beweisen, dass man großartigen Klang zu vernünftigen Preisen bieten konnte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Unser erstes Produkt war eine sehr erfolgreiche Phonovorstufe, dann kamen Vor- und Endstufen dazu.
1990 fragte mich Arnie Nudell, der vorher bei Infinity unter anderem für die Infinity Reference Standard verantwortlich gewesen war, ob ich mit ihm eine Lautsprecherfirma aufmachen wollte. Es gab keinen Menschen auf der Welt, mit dem ich lieber zusammengearbeitet hätte als mit Arnie. Also sagte ich begeistert ja und verkaufte die Firma, aus der Stan bereits vorher ausgeschieden war, an Investoren, bei denen ich PS Audio in guten Händen wusste und die die Firma dann auch mehrere Jahre erfolgreich führten.
Die neue Lautsprecherfirma, die Arnie und ich gründeten, war Genesis. Zu Anfang machten wir preiswerte Modelle (5200 und 8200), aber dann wurden unsere Qualitätsansprüche unserem Vorlieferanten und Miteigner, der kanadischen Firma API, zu lästig. Nach drei Jahren standen wir ohne Produktion dar. Für den Aufbau unserer eigenen Produktion war es einfacher, mit sehr teuren Lautsprechern anzufangen, da wir dann keine so großen Mengen bewältigen mussten. Daraus entstand die Genesis I. Das Ziel war aber von Anfang an, auch wieder preiswerte Modelle zu bauen.
1997 suchte ich nach einer neuen Herausforderung, weil ich meine Interessen bei Genesis nur begrenzt einbringen konnte. Ich war nur für die Elektronik und die Genesis Digital Lens verantwortlich. Also sprach ich mit Arnie, der mich fragte, was ich mitnehmen wollte. Ich sagte, ich wollte nur die Rechte an der Digital Lens. Wir wurden uns schnell einig und sind bis heute befreundet.
Zur gleichen Zeit war der Eigentümer von PS Audio, dem unter anderem auch die Marke Threshold gehörte, in Probleme geraten. Für einen Dollar konnte ich die Rechte an dem Markennamen PS Audio erwerben.
Mit der wiedergeborenen Firma PS Audio, die anfangs nur aus mir und Terri bestand, wollte ich etwas Frisches, Neues machen. Bei all meinen elektronischen Designs vorher war mir die Bedeutung der Stromversorgung für den Klang immer sehr bewusst. Schon das erste PS Audio-Produkt, die Phonostufe, hatte ein Batterienetzteil. Klangfortschritte bei meinen Geräten hatte ich hauptsächlich durch Verbesserung der Netzteile erreicht. Der nächste logische Schritt war es, den Strom schon von Störungen zu reinigen, bevor er überhaupt in die Verstärker kam. Das war die Geburtsstunde des Power Plant, unseres Stromregenerators. Die Grundidee war es, den Netzstrom gleichzurichten und dann eine komplett neue, saubere Sinusschwingung als Wechselstrom wieder aufzubauen. Der Power Plant war sehr erfolgreich, die verschiedenen Nachfolgemodelle machen auch heute noch einen wesentlichen Teil unseres Umsatzes aus.
Ab 2002 boten wir dann auch wieder klassische Audio-Produkte an, angefangen mit der HCA (Hybrid class A) II Endstufe. „Hybrid“ deshalb, weil die Eingangsstufe Class A war, die Ausgangsstufe Class D. „II“ deshalb, weil es ein Infinity-Produkt gleichen Namens gab. Dieser Verstärker war auch wieder sehr erfolgreich, wir haben einige Tausend Exemplare verkauft. Heute haben wir wieder eine komplette Baureihe von Elektronik. Auf mittlere Sicht werden übrigens alle PS Audio-Produkte in einem Netzwerk verbunden werden können.
MS: Hatte die HCA II ein Schaltnetzteil?
Paul McGowan: Nein. Schaltnetzteile haben eine relativ hohe Ausgangsimpedanz, weil sie ein Filter brauchen, um die Schaltfrequenz aus den nachfolgenden Stufen herauszuhalten. Wir sind generell der Meinung, dass lineare Netzteile jedenfalls für Endstufen besser sind. Schaltnetzteile sind gut, wenn es um gleich bleibenden Leistungsbedarf geht. Bei Endverstärkern muss aber in Millisekunden auch mal ein Spitzenstrom von 60 Ampère bereit gestellt werden. Das können lineare Netzteile besser.
MS: Okay, damit sind wir in der Jetzt-Zeit angekommen. Womit beschäftigt sich PS Audio im Moment?
Paul McGowan: PS Audio hat das Ziel, Musik, egal auf welchem Medium sie gespeichert ist, also inklusive Vinyl, in einem Netzwerk verfügbar zu machen. Der Ausgangspunkt war meine Beschäftigung mit einem im Markt sehr erfolgreichen Multi-Room-System. Eines unserer Produkte ist ein D/A-Wandler, der DL III. Ich dachte, wunderbar, ich nehme dieses Multi-Room-System, das ich für sein hervorragendes und sehr leicht bedienbares User Interface sehr schätze, installiere es in meinem Haus, schließe meinen Wandler an und kann überall zufrieden Musik hören. Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass die Klangqualität des Multi-Room-Systems Mist war. Der Grund dürfte darin liegen, dass alle mir bekannten Multi-Room-Systeme auf dem Markt von Leuten gemacht werden, die nicht aus der Audio-, sondern aus der Computerbranche kommen.
Also wollten wir herausfinden, warum die Klangqualität so miserabel war. Es geht einerseits um Timing-Probleme, den berühmten Jitter. Andererseits geht es auch um Spacing-Probleme, also wie lange die Bits sind. Das Ergebnis unserer Überlegungen sind drei Produkte, von denen zwei, ein Laufwerk und ein DAC, schon auf dem Markt sind, sowie ein Software-Paket.
Das erste Produkt ist der PerfectWave Transport. Den Namen haben wir übrigens durch einen Aufruf in unserem Newsletter gefunden. Wir baten die Leser, uns Namensvorschläge zu machen, und setzten einen Preis für den besten Vorschlag aus. Der Name, der uns dann am besten gefiel, war PerfectWave.
MS: Die Zielgruppe sind also Surfer?
Paul McGowan: (lacht) Na ja, das wäre dann wohl doch etwas zu eng. Aber der Namensgeber wohnt tatsächlich in Kalifornien. Er ist aber, so weit ich weiß, kein Surfer, sondern jemand, der professionell Namen für Produkte erfindet und unter anderem schon die Namen für mehrere Automodelle geliefert hat. Beim PerfectWave Transport war unsere Grundidee, den Datenstrom von der Auslesung aus dem physischen Medium zu entkoppeln. Der PWT war übrigens das schwierigste Projekt in den 35 Jahren, in denen ich mich mit Audio beschäftigt hatte, ein echter „ball buster“, wie wir bei uns sagen.