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Interview mit Jens R. Wietschorke von Lyravox

24.05.2024 // Wolfgang Kemper

J.W.: Kein Lautsprecherentwickler auf der Welt kann alle Hörräume seiner Kunden kennen. Das heißt, wie soll der arme Kerl denn den Lautsprecher bauen für eine englische Einrichtung, für eine deutsche Einrichtung, für eine amerikanische Einrichtung, für eine Einrichtung mit Teppich oder ohne? Großes Zimmer, viel Glasflächen, Fliesenfußboden oder kleines Zimmer, Raucherecke, Bücherwand, hochfloriger Teppich? Das kann nicht funktionieren. Und der arme Kunde ist gezwungen, sich ein Produkt zu kaufen, was er irgendwo Probe hört, nach Hause stellt und dann mehr oder weniger enttäuscht ist, weil die Ankopplung von Lautsprecher und Hörraum nicht funktioniert. Aber das ist der Dreh- und Angelpunkt hochwertiger Musikwiedergabe. Die Interaktion Lautsprecher und Hörraum. Man kann es nicht oft genug sagen: Es gibt kein Live-Konzert, was nicht eingemessen wird. Es gibt kein Tonstudio, wo nicht eingemessen wurde. Nur im HiFi ist das jahrelang verpönt gewesen und ich habe den bösen Verdacht, dass man es einfach verpönt hat, weil man es nicht konnte. Wir gehen zum Kunden und sagen: Okay, wir stellen das Produkt bei Dir auf. Wir hören uns das mal an, und dann nehmen wir ein Messmikrofon und machen eine Messung des Raumes, um zu gucken, welchen akustischen Fußabdruck hat denn der. Diese Messung adaptieren wir an unseren Lautsprecher beziehungsweise umgekehrt und können dann einen Großteil der raumakustischen Probleme in unserem Lautsprecher beseitigen. Jeder kennt das Problem Bassmoden, das heißt, der durchschnittliche Lautsprecher hat im Raum Überhöhungen im Tiefton und und Auslöschungen im Tiefton, was ja dazu führt, dass ungefähr die Hälfte aller Töne viel zu laut und die andere Hälfte der Töne viel zu leise sind. Jetzt frage ich mich, welcher Bassist in einer Jazzband soll denn wissen, welcher Kunde in welchem Raum welche Töne hat, die er spielen darf und welche unhörbar bleiben?

Die quaderförmigen individuellen Gehäuse für die einzelnen Accuton-Chassis
Die quaderförmigen individuellen Gehäuse für die einzelnen Accuton-Chassis

J.W.: Also messen wir unseren Lautsprecher auf den Hörraum ein. Das heißt, die lauten Töne können wir leiser machen, weil sie die Resonanzen des Raumes anregen und weniger Energie haben dürfen, um die Eigenschaften des Raumes zu kompensieren. Und siehe da, es passiert etwas unglaublich Tolles. Wir entziehen einer Welle Energie und dadurch, dass wir die lauten Töne leiser machen, werden automatisch die leisen Töne lauter und linearisieren den Frequenzgang. Das Dröhnen ist weg, die Präzision ist da. Und zum ersten Mal kann man sagen: Aha, wenn es jetzt wummert und dröhnt, dann war vielleicht das Mikrofon am Kontrabass zu nahe dran oder zu weit weg. Aber es wird sofort evident, dass es ein Thema der Aufnahme war und nicht Raumresonanzen beim Hörer. Und in der Sekunde verstehen wir, was Einmessen bedeutet, nämlich Durchhörbarkeit ins Original. Wir erleben immer wieder Kunden, die zu uns kommen und sagen, sie möchten gern dieses und jenes Lied hören, weil das die beste Aufnahme überhaupt sei. Aber wir können ihnen nicht ersparen zu erklären, dass es leider ein bisschen anders ist. Es ist ihre subjektiv beste Aufnahme, weil sie wahrscheinlich die Probleme des Hörraums nicht anspricht oder die Fehler eines Hörraums gut kompensiert und gut klingt, weil das Tonspektrum gut zur Qualität einer Anlage passt. Aber damit haben wir dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, weil wir dann in einer Situation sind, wo uns die Anlage vorschreibt, welche Musik wir gut finden. Und genau das darf bitte nicht passieren. Das ist genau gegen unsere Philosophie. Denn wir wollen ja entscheiden, welche Musik wir gut finden. Und die Box soll das bitte für uns richtig spielen. Sonst kann Musikhören ja nicht wirklich Spaß machen, weil wir ja Knecht unserer eigenen Anlage werden. Das leuchtet ja jedem sofort ein. Bei HiFi sind ganz viele Menschen auf der Suche nach der idealen Aufnahme. Das ist eigentlich ein Fehler. Begebt euch doch auf auf die Suche nach der idealen Musik für euch. Streaming bietet unendlich schöne Möglichkeiten. Ihr habt unglaublich viele schöne Schallplatten im Schrank und es macht einen unglaublichen Spaß, die noch mal neu durchzuforsten, wenn man sich von seinem Equipment nicht vorschreiben lassen muss, was funktioniert und was nicht.

Das Anschlussfeld von Karl Dem Großen hier mit AudioQuest Dragon Verkabelung
Das Anschlussfeld von Karl Dem Großen hier mit AudioQuest Dragon Verkabelung

J.W.: Wir hatten schon immer die Idee, ein Super-High-End-Projekt zu starten. Und wir hatten jetzt Glück, dass wir verschiedene Kunden für dieses Projekt gewonnen hatten, die bereit waren, das noch nicht verwirklichte Projekt zu kaufen, weil das langjährige Kunden sind von uns, die unsere Produkte kennen und genug Vertrauen in uns haben. Wir haben dann angefangen, ohne Restriktionen und ohne Blick auf Kosten, ohne Rücksicht auf irgendwas, einen Lautsprecher zu entwickeln, von dem wir sagen konnten: Da dürfen wir jetzt mal alles reinbauen, was wir uns schon immer gewünscht haben und können Ideen verwirklichen, die es so unseres Wissens in der HiFi-Welt noch nicht gab. Letztendlich sind wir unserer Linie treu geblieben. Das heißt, wir bauen nach wie vor einen voll aktiven Lautsprecher, der nur in allen Dimensionen ein bisschen viel gewachsen ist und alles, was wir an technischem Know how gesammelt haben, in sich vereint. Ich will nur aufzählen: mehrfach segmentiertes Gehäuse, impulskompensiert, Kunststeingehäuse schwingungsarm, druckoptimiert, resonanzoptimiert, mit der neuesten Generation von Accuton Chassis, die wirklich in diesem Fall über jeden Zweifel erhaben sind. Das ist schon eine Feature-Liste, wo man sagt, mehr gibt der Weltmarkt tatsächlich nicht her und der Stand dessen ist, was überhaupt geht. Darüber hinaus hatten wir die glückliche Situation, einen neuen DSP in die Hände zu bekommen, wo wir beim Design und bei der Entwicklung mitbestimmen durften und haben an der Schlüsselstelle unseres Lautsprechers, nämlich im DSP und auch im DAC eine neue Technologie einführen können, die wirklich State of the Art und im DSP-Bereich so noch nicht dagewesen ist. Also neueste Wandler-Generation, Topografie, neueste Algorithmen, und das ist schon wirklich ein Quantensprung in dem, was man in Echtzeit an Daten verarbeiten kann. Man kann jetzt sagen: Wir haben eine Schaltzentrale gebaut, einen Lautsprecher, der qualitativ weit über dem liegt, was wir bis jetzt von DSP gesteuerten Lösungen kannten. Der Preis ist exorbitant. Das ist aber so ähnlich wie in der Formel eins. Man muss eine Technik erst einmal erfinden, ins Leben bringen, unabhängig von dem, was es kostet. Wenn es dann die Technik gibt, dann werden wir diese Technik benutzen, um sie auch auf alle anderen Modelle zu adaptieren. Wir haben bei Karl Dem Großen etwas zum ersten Mal gemacht, und zwar haben wir unseren DSP ausgelagert und dieser steuert einen Mehrkanalverstärker, der unsere Boxen antreibt. Damit haben wir eine klassische Aktivbox. Jeder Treiber sieht seinen eigenen Verstärker, aber wir ermöglichen unserem Kunden zum ersten Mal die persönliche Auswahl seiner Endstufen. Das ist ganz neu. Die Aktivtechnologie haben wir im Prinzip nicht im Lautsprecher, sondern wir haben sie in externe Gehäuse gebaut. Jetzt hat der Kunde die Möglichkeit trotz, des Aktiv-Prinzips den passivsten Lautsprecher aller Zeiten zu betreiben, weil er seine eigenen Endstufen einbinden kann. Es gibt für jeden Lautsprecher in Karl Dem Großen eine eigene Endstufe, die separat außerhalb der Box steht. Und jetzt kann man sich schnell vorstellen, was passiert. Wir reden immer über Eigenschaften von Verstärkern, die ja nie über alle Frequenzbereiche gleich gut sind. Wir kennen Verstärker, die im Mittelhochtonbereich Überragendes leisten, im Tiefton aber zum Beispiel zu wenig Dämpfungsfaktor haben, während im Mittel-Hochtonbereich viel Dämpfungsfaktor klanglich vielleicht gar nicht so toll ist. Und jetzt kann der Kunde sagen: Im Tiefton benutze ich eine potente Endstufe mit hohem Dämpfungsfaktor und hoher Stromlieferfähigkeit, im Mitteltonbereich vielleicht eine Class-A-Endstufe und eine Röhre im Hochtonbereich, so wie er sich das zu Hause wünscht. Wir können endlich die Charaktere dieser Endstufen wirklich frei bis in den Lautsprecher transportieren, weil die Endstufe keine Kondensatoren, Widerstände und Spulen und ein Riesen-Mischmasch an Phasendrehungen sieht. Stattdessen sieht der Verstärker den nackten Lautsprecher mit einem Stück Kabel dazwischen, was dezidiert in diesem Frequenzbereich die besten Eigenschaften hat. Das geht besonders gut, weil durch unseren neuen DSP die Endstufe wirklich ein perfekt sauberes Signal bekommt. Dieses Signal ist wirklich so dezidiert genau, dass man sagen muss, so ein Futter hat es noch nie für eine Endstufe auf dieser Welt irgendwo gegeben, dass man sagen muss, ja, die Endstufe darf wirklich völlig frei arbeiten, die kriegt genau das, was sie soll. Mit der richtigen Phasenlage, mit der richtigen Übernahmefrequenz, mit der richtigen Flankensteilheit, mit der richtigen Energie. Und dann ist es natürlich ein Leichtes, ein wunderschönes Ergebnis zu erzielen. Der Preis ist das Problem. Das ist natürlich eine exorbitant teure Lösung. Das ist uns wohl bewusst. Haben wir alle Fehler vermieden? Haben wir es geschafft, zu Hause das perfekte Produkt zu haben? Je hochwertiger die Einzelkomponenten und die Verknüpfung dieser sind, desto weniger Fehler haben wir gemacht und desto mehr Genuss kriegen wir durch die Datenträger aus der Musik nach Hause. Das ist das erklärte Ziel.

Ein Blick auf die kleineren und weniger kostspieligen Modelle von Lyravox
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