Audio Video Show Warschau 2022 – Teil 3

04.11.2022 // Finn Corvin Gallowsky

Die diesjährige Audio Video Show Warschau erreicht das zweitbeste Besucherergebnis aller bisherigen Shows. Im Vergleich zu 2019 gab es nur etwa 5 Prozent weniger Aussteller. Das Interesse an dem Event und an Audio ist und bleibt erfreulicherweise ungebrochen hoch.

In diesem zweiten Teil des Berichts möchte ich Ihnen einige ausgewählte Hersteller und Präsentationen im Detail näherbringen. Ohne weitere Umschweife wünsche ich Ihnen viel Spaß beim dritten und letzten Messebericht über die diesjährige Audio Video Show Warschau.

Eine besondere Geschichte bekomme ich bei Unitra zu hören. Die Reaktionen des Publikums auf diese Marke fallen sehr emotional aus. Dennoch hat Unitra nur einen Stand auf dem Flur und es wird nicht einmal Musik gespielt. Im Gespräch mit Adrian Krupowicz, zuständig für Forschung und Entwicklung, verstehe ich auch recht schnell weshalb. Seit den Sechzigern produzierte ein Zusammenschluss von gut 40 Produzenten unter dem Namen Unitra. In Polen ist er sicher jedem HiFi-Liebhaber bekannt. In Deutschland existierten viele Produkte unter anderer Herstellerbezeichnung, die aber aus der Feder Unitras stammten. Viele Firmen, die damals zu Unitra gehörten, existieren noch heute. Der Zusammenschluss und Unitra in der Form ist nicht mehr existent. 2014 wurde ein gescheiterter Neustart mit chinesischen Designs unternommen. Mit diesem hatte Adrian Krupowiczs, dessen größter Kindheitstraum es war, für Unitra zu arbeiten, nichts zu tun. Er erzählt mir, dass er über Kontakte zum Computerspiele-Vertrieb CD Project, dessen inzwischen berühmte Entwicklungsabteilung CD Project Red Computerspiele wie The Witcher oder Cyberpunk 2077 entwickelt hat, Michał Kiciński kennenlernte, den er für ein erneuten Unitra-Neustart als Investor gewinnen konnte. So geht ein Traum für Adrian in Erfüllung. Aktuell ist sein Team damit beschäftigt, die Produktionskapazitäten in Warschau aufzubauen, denn in jedem Fall soll in Polen entwickelt und gebaut werden. Die Messeauftritt ist insgesamt etwas verfrüht, aber die Begeisterung von Adrian über den Neubeginn von Unitra musste einfach geteilt werden. Die Reaktionen des Publikums haben ihm Recht gegeben.

 

Die Begegnung mit Falcon-Lautsprechern und Jerry Bloomfield wird mir sehr lange in Erinnerung bleiben. Ich kannte mich in der Geschichte der berühmten BBC-Monitore LS3/5a nicht sonderlich aus und plötzlich fand ich mich im mit Kartons und sonstigem Messebedarf vollkommen zugestellten Nebenzimmer des Vorführungsraums wieder. Jerrys Büro, wie er es augenzwinkernd nannte, bestand aus einer kleinen, nicht gänzlich vollgestopften Ecke mit einem Tisch, drei Stühlen und seinem Notebook. Hier erfahre ich wie er Falcon von seinem Freund und Gründer des Unternehmens Malcom Jones übernommen hat. Jerry erzählt, dass die BBC wohl gute 2,5 Millionen Pfund in die Entwicklung des ursprünglichen LS3/5 versenkt hat und 1974, als Lizenzen für die kommerzielle Produktion des Lautsprechers vergeben wurden, aufgrund von fehlender Werkzeuge zum Fertigen der Originaltreiber, eine Überarbeitung mit neueren Treibern notwendig war. So wurde aus dem LS3/5 der LS3/5a. Bis Falcon eine Lizenz zur kommerziellen Produktion erhalten sollte, gehen noch viele Jahre ins Land. Erst seit 2014 werden bei Falcon LS3/5a nach den strengen BBC-Spezifikationen gefertigt. Wer Jerry Bloomfields geballtes Wissen über diesen Lautsprecher erleben möchte, findet auf Youtube ein Video, in dem er die Geschichte des Lautsprechers auf dem Rocky Mountain International Audio Fest 2018 (RMAF) rekapituliert. Ich bin vollkommen von der Vorstellung des großen Standlautsprechers Falcon M50 aus der neuen M-Serie abgelenkt. Der abwechselnd gegenüber spielende Regallautsprecher M10 verfügt ebenfalls über den im LS3/5a eingesetzten Tieftontreiber B110. Der Falcon LS3/5a selbst spielte erst am letzten Tag der Messe am Abend. Ihn mit seiner unglaublich geschmeidigen Wiedergabe schlussendlich hören zu können, war ein krönender Abschluss der Messe.

 

Eine weitere Marke mit traditionellem Erscheinungsbild ist Audio GE aus Litauen. Der große Teddy, auf diesen Namen hört der Lautsprecher, kostet nur 3.000 Euro pro Paar. Er spielt ehrlich, aber nicht analytisch mit Autorität und einem sehr großen Sweetspot. Das genaue Konzept bleibt ein Geheimnis von Mastermind Gediminas Racevicus. Sicher ist, dass der Lautsprecher über eine unten liegende Bassreflexöffnung verfügt. Der Vollverstärker Valkyrie 36 von Rada kostet 2.200 Euro. Trotz des humanen Preises des Gesamtsystems eine der besten Vorführungen der Show.

 

Weshalb eine kleine, dänische sechs Mann Manufaktur den Namen Gato, portugiesisch für Katze, trägt und dann das Bild eines italienischen Lamborghini zeigen, erschließt sich mir nicht. Im humorvollen Gespräch konnten die Dänen mich dann aber doch aufklären. Sie wollten zeigen, dass sie ihre in der Nähe von Kopenhagen gefertigten Produkte in jeder erdenklichen Wunschfarbe anbieten können. Der Lamborghini bot sich lediglich für das Fotoshooting an. Wie wäre es also mit Lautsprechern in sternrubin oder bayside blue? Der PWR-222 Monoblock leistet 0,339905 PS an 4 Ohm. In Audiosprache sind das 250 Watt. Der neue Phono-Preamp PPA-1 kostet für Vorbesteller 3.130 Euro und soll dann im März 2023 geliefert werden. Für den DAC SDA-1 mit integriertem Kopfhörerverstärker gilt ebenfalls ein Vorbestellerrabatt. Er kostet somit aktuell 3.650 Euro. Für das Netzwerkplayermodul werden 550 Euro Aufschlag fällig.

 

Besonders überrascht war ich aufgrund des Preises von umgerechnet nur etwa 1.600 Euro, der für den Solidele Vollverstärker mit DAC aufgerufen wurde. Chef Mirosław Sobaszek hat bereits unter anderem für Motorola entwickelt und einige ungewöhnliche Ideen in dem Gerät verwirklicht. Es kommt ein in audiophilen Kreisen eher selten eingesetzter DAC von Texas Instruments zum Einsatz, der aber softwareseitig speziell angesteuert wird. Das Ergebnis überzeugt und zeigt, wie mächtig gute Softwarearchitektur sein kann. Der kleine Amp spielt ungewöhnlich dynamisch und hat mit seinen 50 Class-AB-Watt an 8 Ohm und 90 Watt an 4 Ohm die Lautsprecher voll im Griff. Mittels eigens programmierter App lassen sich die Empfindlichkeit der Eingänge verstellen und für den Phono-Eingang sogar zwischen RIAA-, Teldec- oder IEC-Entzerrung wählen. Das standardmäßig installierte Bluetooth-Modul kann gegen ein Streamermodul mit integrierter Festplatte für 550 Euro getauscht werden. Der Show-Einstand dieses 2019 gegründeten Unternehmens ist meines Erachtens geglückt.


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