Die meisten Phonostufen im High-End-Segment beeindrucken durch eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen. Man denke nur an die FM Acoustics mit der variablen Entzerrung oder Burmesters Phono 100. Bei van den Huls The Grail geht es allein um den Klang. Es gibt gerade mal ein Mäuseklavier für die Einstellung der drei Verstärkungsfaktoren – unter dem Gehäusedeckel
Das Fehlen von Schaltern, Drehreglern, LEDs und Anzeigeninstrumenten sollte einen aber keinesfalls dazu verleiten, The Grail zu unterschätzen: Hier bekommt man es mit fast 20 Kilogramm Verstärker zu tun. Und dabei ist das externe Netzteil noch nicht einmal mitgerechnet. Für das hohe Gewicht ist vor allem das massive Gehäuse mit der Dämpfungsplatte im Deckel verantwortlich. Purismus pur auch bei der Impedanzanpassung: Über den richtigen Widerstand für den Abschluss seines Moving-Coil-Tonabnehmers braucht sich der Besitzer eines Grail keine Gedanken zu machen: Aalt van den Hul und sein Elektronikspezialist Jürgen Ultee entschieden sich beim Grail für eine sogenannte Stromanpassung: Einen Eingang mit einer Impedanz von nahezu Null Ohm, der auch gerne als „selbstanpassend“ beschrieben wird und umso besser funktioniert, je geringer die Impedanz des angeschlossenen Tonabnehmers ist. Für Moving Magnet Tonabnehmer gibt es hingegen die standardisierten 47 Kiloohm. Die Eingänge für MM- und MC-Tonabnehmer sowie die Ausgänge sind jeweils mit XLR- und Cinch-Buchsen ausgeführt. Das gibt dem Nutzer aber nicht die Freiheit, den Grail mit einem unsymmetrisch verkabeltem Tonabnehmer anzusteuern und symmetrisch mit der Vorstufe zu verbinden oder umgekehrt. Wenn man den symmetrischen Eingang wählt, muss man auch den entsprechenden Ausgang wählen. Für die Cinch-Buchsen gilt das natürlich auch.
Damit ist auch sofort klar, dass sich der Kauf des Grail SB nur für denjenigen lohnt, der einen Tonarm mit symmetrischer Verkabelung und eine Vorstufe mit XLR-Eingängen sein eigen nennt. Denn der Grail mit dem Namenszusatz SB ist symmetrisch – oder englisch: balanced – aufgebaut. Das erfordert exakt den doppelten Bauteileaufwand und stellt bekanntlich noch höhere Ansprüche an die Selektion der elektronischen Komponenten: Denn umso weniger sich die beiden Verstärkerzüge eines Kanals unterscheiden, desto höher ist die Gleichtaktunterdrückung, dank derer sich Störungen auslöschen. Neben den Kosten für den doppelten Aufwand hat eine symmetrische Schaltung aber noch einen weiteren Nachteil: Während eine unsymmetrische Schaltung die gesamte geringe Ausgangsspannung des Tonabnehmers nutzt, müssen sich der nicht-invertierende und der invertierende Verstärkerzug einer symmetrischen Schaltung die Energie aus dem Abtaster teilen. Einstreuungen und Störungen, die sich das Signal auf dem Weg vom Generator zum Phonoentzerrer einfängt, werden bei einer symmetrischen Schaltung zwar fast völlig unterdrückt, der Rauschabstand ist aber prinzipbedingt um etwa drei Dezibel geringer als bei der unsymmetrischen Schaltung.
Mehrkosten und ein wenig mehr Rauschen steht neben der nahezu vollständigen Immunität gegen Einstreuungen auch eine deutlich höhere Unempfindlichkeit gegenüber Brummstörungen gegenüber. Was aber bei weitem wichtiger ist: Nach meinen Erfahrungen klingen symmetrische Versionen einfach besser als unsymmetrische – vorausgesetzt natürlich, dass es sich in beiden Fällen um identische Verstärkerzüge handelt. Ich habe das am eindrucksvollstem vor etwa zehn Jahren beim Test von Einsteins The Turntable's Choice erfahren. Ob es an weniger Einstreuungen, der räumlichen und elektrischen Trennung der beiden Kanäle oder der höheren Übersteuerungsfestigkeit – neudeutsch Headroom – lag, vermag ich nicht zu sagen.
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